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Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition)

Titel: Roman meines Lebens: Ein Europäer vom Bosporus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livaneli
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Gelübde abgelegt; sollte ihnen ein Sohn geboren werden, würden sie ihn nach dem Heiligen benennen. Während der Schwangerschaft soll der Heilige der werdenden Mutter oft im Traum erschienen sein. So erklärt sich die äußerst seltene Kombination meiner beiden Vornamen Ömer und Zülfü. Zülfü ist eine Ableitung von Zülfikâr; so hieß das Schwert des schiitischen Heiligen Ali. Mein Nachname wiederum ist ein Verkürzung von Livanelioğullari, »Söhne der Leute aus Livane«, wie man Ömer und seine Familie genannt hatte.)
    Zülfikâr setzte die Beamtentradition der Familie fort und wurde Untersuchungsrichter. Er war das älteste Familienmitglied, das ich kennenlernte. Ich habe ihn als imposanten Mann in Erinnerung, der zwischen Strenge und Güte genau das richtige Maß zu halten wusste. Die Jahre, die ich mit ihm und meiner gescheiten Großmutter verbrachte, haben mich mehr gelehrt als jede Schule.
    Ihrer beider Kind, also mein Vater, wurde nach dem Jurastudium als Staatsanwalt in das für sein Thermalbad bekannte Städtchen Ilgın versetzt und heiratete dort jenes dunkelblonde Mädchen, das er einmal im großen Garten des Konaks hinter dem Justizgebäude hatte umherspazieren sehen. Es war die mittlere von drei Töchtern des Rechtsanwalts Asım, und ihr Name war Şükriye.
    Die Juristentradition unserer Familie wurde durch diese Heirat und später durch die Karriere meines Bruders Asım noch verstärkt, während es mir vorbehalten war, unseren Familiennamen zum ersten Mal mit dem eines Angeklagten in Verbindung zu bringen.
    Bemerkenswert sind die Todesdaten meiner beiden Großväter. Mein Bruder und ich wurden nach ihnen benannt, als die beiden noch am Leben waren. Jahre später starb mein Großvater Zülfikâr an einem 20. Juni, meinem Geburtstag, und später mein Großvater Asım an einem 2. Juli, dem Geburtstag meines Bruders Asım. Es war, als hätten sie uns die Welt an ihrem Todestag übergeben.

 
    W   er versucht, sich an den ersten Eindruck seines Lebens zurückzuerinnern, versinkt in einem endlosen Bildermeer, in das es tiefer und tiefer hinabzutauchen gilt.
    Das erste Bild, das von dieser Welt in mir haften blieb, war das eines Königsgrabs. Wie sich später herausstellte, waren es die lykischen Felsengräber von Fethiye, die solchen Eindruck auf mich gemacht hatten.
    Nachdem ich im Jahr 1946 auf die Welt kam, zogen wir in die Küstenstadt Fethiye im Südwesten der Türkei. Mein Vater, der dorthin als Staatsanwalt versetzt worden war, machte sich noch in der Nacht unmittelbar nach meiner Geburt auf den Weg, um erst mit dem Zug und danach auf einem Maultier seinen Einsatzort zu erreichen.
    Wir blieben in Fethiye, bis ich drei war, und so reichen also meine ersten Erinnerungen bis in dieses Alter zurück. Ich kann mich erinnern, dass man mir die Felsengräber zeigte und mir sagte, dort wohnten Schakale. So behielt ich die Gräber lange als Schakalhöhlen im Gedächtnis.
    Außerdem sehe ich ein weißes Haus mit Garten vor mir. Da später der größte Teil Fethiyes bei einem Erdbeben zerstört wurde, weiß ich nicht, inwieweit diese Erinnerung der Wirklichkeit entspricht.
    In Mersin sehe ich mich in einer Kutsche mitfahren, mit einer Saz auf dem Schoß, an deren Saiten ich im Rhythmus des Pferdegetrappels herumzupfe.
    In einem Garten in Mersin wurden von einem Maulbeerbaum Früchte auf ein Tischtuch herabgeschüttelt. Mein Onkel İzzet, dunkelblond, mit Brille, setzte mich auf den Gepäckträger seines Rades und fuhr mich spazieren. Er spielte in dem Holzhaus, in dem wir wohnten, jeden Tag Geige. Als ich einmal zündelte und dabei einen Vorhang ansteckte, riss er diesen herunter und verbrannte sich dabei die Handflächen. Eine Weile blieb die Geige stumm. Mit kaum fünfundzwanzig starb dieser schmächtige Mann an Tuberkulose.
    Als nächstes wohnten wir in Silifke, in einem großen Haus am Fluss Göksu. Mir kommen Belanglosigkeiten in den Sinn wie ein auf dem Fluss treibender Aprikosenzweig, dazwischen das Bild von dem Skorpion, auf den ich einmal barfuß trat.
    Dann der Tag, an dem in dem großen Wohnzimmer alle leise schluchzten. Der Schmerz über den Tod des schmalen, blutjungen Geigers. In einer aufgeregten Sturmnacht dann gegen Morgen die Geburt meiner Schwester Seyhan.
    Im Garten des Hauses in Silifke stand ein mächtiger Baum. Als ich später Hundert Jahre Einsamkeit von Gabriel Garcia Marquez las, stand mir der Baum, unter dem im Buch der pensionierte Oberst Buendia saß, stets als jener Baum von

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