Romana Exklusiv 0172
Dunkelheit.
Bei dem Duft nach Orangenblüten, der hereinströmte, wurden ganz andere Erinnerungen wach. Sie dachte an ihre Ankunft im Palacio de los Naranjos, an das erste schreckliche Essen, bei dem die Condesa ihre Enttäuschung und ihren Zorn über die überraschende Heirat ihres Sohns an ihr ausgelassen hatte. Später fand Ruy sie herzzerreißend schluchzend in ihrem Zimmer, das weit weg war von seinem. Sie war viel zu sehr mit ihrem eigenen Kummer beschäftigt, um wahrzunehmen, was unterschwellig um sie her vorging. Deshalb dachte sie nicht darüber nach, warum Carmelita, deren überwältigende Schönheit sie abgestoßen hatte und ihr beinah schon dekadent vorgekommen war, sie so hasserfüllt angesehen hatte.
Ruy trocknete Davina die Tränen und versuchte sie zu trösten. Sie bat ihn, sie nicht allein zu lassen. Zu ihrer Erleichterung schlug er vor, durch den Park zu schlendern, damit sie sich beruhigte.
Es war eine milde Nacht, die Sterne funkelten am Himmel, und der Duft nach Orangen lag in der Luft. Ruy hatte ihren Arm genommen – mehr aus Höflichkeit als aus dem Wunsch heraus, sie zu berühren, wie ihr jetzt klar war. Plötzlich stolperte sie, und als Ruy sie festhalten wollte, verloren sie beide das Gleichgewicht und fielen hin. Davina sah ihn an und versuchte gar nicht, ihre Gefühle zu verbergen. Sie wünschte sich, er würde sie endlich ganz zu seiner Frau machen.
Ruy wollte sich zurückziehen. Doch da sie überzeugt war, er würde sie genauso lieben wie sie ihn, legte sie ihm die Arme um den Nacken und fing an, seinen Hals zu küssen. In dem Moment hielt Ruy sich nicht mehr zurück, auch wenn sie nicht die Frau war, die er liebte. Aber sie lag in seinen Armen, und er konnte sie haben. Er hatte sie sanft und rücksichtsvoll behandelt. Erst später war ihr bewusst geworden, dass er sich bestimmt nicht so sehr zurückgehalten hätte, wenn er sie wirklich geliebt hätte.
Obwohl er sie sehr behutsam und einfühlsam geliebt hatte, hatte sie aufgeschrien, als er in sie eingedrungen war. Sogleich brachte er sie mit seinen Lippen zum Schweigen. Und als sie sich später noch einmal liebten, war es herrlich gewesen. Seit jener Nacht gehörten Ruys Duft und der Duft nach Orangen und Orangenblüten in Davinas Erinnerung für immer zusammen.
Danach hatten sie in zwei miteinander verbundenen Zimmern geschlafen. Jede Nacht war Davina zu ihm gegangen, sie hatte sich von ihm in die Arme nehmen und sich versichern lassen, dass er sie noch liebe. Wie dumm und naiv war sie gewesen! Er hatte sie nie geliebt, sondern nur Mitleid mit ihr gehabt, das war alles.
Die Wahrheit hatte sie erfahren, als er in der Bodega in Cadiz war. Davina wollte ihn begleiten, er erklärte jedoch, er würde nicht lange wegbleiben. Er kam auch rasch wieder zurück, doch in der kurzen Zeit seiner Abwesenheit brach eine Welt für sie zusammen. Zuerst öffnete ihre Schwiegermutter ihr die Augen, dann Carmelita. Bei Ruys Rückkehr hatte Davina schon alle ihre Sachen in ein anderes Schlafzimmer geschafft. Nie fragte er nach den Gründen, und sie sprach auch nie mit ihm darüber. Die ersten Nächte hatte sie wach gelegen und vergebens auf seine Schritte gelauscht. Aber warum hätte er auch zu ihr kommen sollen? Carmelita, die stolze, leidenschaftliche Spanierin, passte viel besser zu ihm.
Genau in der Woche hatte sie Bob Wilson in Sevilla kennengelernt. Und sie hatte angefangen zu vermuten, dass sie Ruys Kind bekommen würde.
„Willst du die ganze Nacht da sitzen bleiben? Ist dir der Gedanke, mit mir in einem Zimmer zu schlafen, so unangenehm, dass du lieber hier im Sessel schläfst? Du hast dich offenbar sehr verändert!“, stellte er spöttisch fest. „Es gab eine Zeit, da konntest du es kaum erwarten, neben mir im Bett zu liegen.“ Er lachte freudlos auf und betrachtete ihr blasses Gesicht. „Sieh mich nicht so ängstlich an, meine Liebe. Ich kann nicht mehr mit dir durch die Orangenplantagen wandern und dir Gefühle zeigen …“
Davina sprang auf. Die Bilder, die vor ihr aufstiegen, quälten sie viel zu sehr. „Ich bin überrascht, dass du dich überhaupt daran erinnerst“, sagte sie. „Es ist immerhin schon lange her, und es war nicht wichtig.“
„Meinst du?“ Seine Miene wurde hart, und er betrachtete sie schmerzerfüllt und verbittert zugleich. Nein, ich habe mich getäuscht in dem gedämpften Licht, es gibt für ihn keinen Grund, schmerzerfüllt an unsere Ehe zu denken, überlegte sie. „Du glaubst wohl, ein Mann könne
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