Romana Exklusiv 0197
gestellt hatte. Sie aß zwei Sandwiches und trank eine Tasse Tee.
Nachdem sie ihre Sachen ausgepackt hatte, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen und legte sich auf das breite Bett, das sich als sehr bequem erwies. Sie bemühte sich, nicht einzuschlafen, aber die Augen fielen ihr immer wieder zu. Als es später an der Tür klopfte, war Lysan schon wieder hellwach und fertig angezogen. Vielleicht will Enrico mir mitteilen, wann das Dinner stattfindet, überlegte sie und bekam Herzklopfen.
Aber dann sagte sie sich, dass Enrico bestimmt nicht selbst kommen, sondern Auda schicken würde. Lysan ging zur Tür und öffnete. Vor ihr stand eine dunkelhaarige, etwa dreißigjährige Frau und lächelte sie herzlich an.
„Ich bin Gabina, Enricos Schwägerin“, stellte sie sich auf Englisch vor.
„Hallo!“ Lysan reichte ihr die Hand. „Ich bin Lysan Hadley. Kommen Sie doch rein.“
„Haben Sie alles, was Sie brauchen? Oder fehlt Ihnen noch etwas?“, erkundigte Gabina sich.
„Danke, es ist alles da“, erwiderte Lysan. Im Bad hing sogar ein Fön an der Wand, wie sie bemerkt hatte.
Gabina lächelte. „Es tut mir leid, dass ich bei Ihrer Ankunft nicht hier war. Ich habe erst heute Morgen von Ihrem Besuch erfahren.“
Lysan überlegte, ob Gabina Viveros sich vielleicht darüber ärgerte, sich um die ihr unbekannte Engländerin kümmern zu müssen, die wie aus heiterem Himmel aufgetaucht war. Aber sie lächelte herzlich und charmant.
Dennoch glaubte Lysan, ihre Anwesenheit erklären zu müssen. „Ich hatte mir ein Hotelzimmer gebucht, aber Enrico …“ Sie verstummte, denn ihr wurde bewusst, dass sie langsamer sprechen musste, damit Gabina sie verstand. „Wollen Sie sich nicht setzen?“ Sie wies auf die Sessel.
„Ja, danke. Möchten Sie noch einen Tee?“, fragte Gabina.
„Nein, eigentlich nicht. Aber wenn Sie auch einen trinken, schließe ich mich an“, erwiderte Lysan.
Gabina wollte nicht. Sie machten es sich in den bequemen Sesseln gemütlich und unterhielten sich angeregt. Unter gelegentlicher Zuhilfenahme des Wörterbuchs verständigten sie sich problemlos. Gabina sprach recht gut Englisch, sie war nur etwas aus der Übung. Plötzlich schaute Gabina auf die Uhr und rief: „Mein Mann erwartet mich. Wissen Sie, wo das Wohnzimmer ist?“
„Nein, leider nicht.“
„Macht nichts, ich komme in ungefähr einer Dreiviertelstunde zurück“, versprach sie und ließ Lysan allein.
Gabina ist eine außergewöhnlich liebenswerte und charmante Frau, dachte Lysan, während sie vor dem breiten Schrank stand und unschlüssig ihre Kleider betrachtete, die teilweise gebügelt werden mussten. Sie wusste nicht, was sie zum Dinner anziehen sollte. Schließlich entschied sie sich für ein elegantes Seidenkleid in sanftem Grün.
Um halb acht musterte sie sich nervös im Spiegel. Das aschblonde Haar umrahmte in weichen Wellen ihr feingeschnittenes Gesicht. Sie hatte nur wenig Make-up aufgetragen, etwas Mascara und einen pinkfarbenen Lippenstift, und sie hätte mit ihrem Aussehen sehr zufrieden sein können. Doch unerklärlicherweise war sie schrecklich unsicher und nervös.
Normalerweise trat sie sehr selbstbewusst auf. In Enricos Gegenwart fühlte sie sich jedoch seltsam gehemmt. Warum eigentlich?, fragte sie sich. Er hatte behauptet, er würde sie schön und attraktiv finden. Hatte er es wirklich ernst gemeint? Sie quälte sich mit Selbstzweifeln herum, bis es an der Tür klopfte. Rasch nahm sie sich zusammen und verdrängte die Gedanken an Enrico.
„Sind Sie fertig?“, erkundigte Gabina sich freundlich.
Lysan entspannte sich etwas, und sie gingen zusammen über den hellen Flur und die breite Treppe hinunter. Gabina führte Lysan durch die Eingangshalle und an verwirrend vielen Türen vorbei. Vor einer der größeren blieb sie stehen und hielt sie Lysan auf.
Mitten im Raum stand Enrico mit einem etwas kleineren Mann, mit dem er in ein Gespräch vertieft war. Auf einmal verspürte Lysan wieder diese seltsame Scheu. Nimm dich zusammen, mahnte sie sich, und es gelang ihr, selbstsicher das Zimmer zu durchqueren. Als er sie kommen hörte, drehte Enrico sich um und musterte sie von Kopf bis Fuß.
„Guten Abend, Lysan, Gabina“, begrüßte er sie ruhig und kam auf sie zu. „Das ist mein Bruder Celso“, stellte er vor.
Celso Viveros war offenbar ein oder zwei Jahre jünger als sein Bruder. Lysan fand ihn auf Anhieb sympathisch.
„Willkommen in Chile, Lysan.“ Er strahlte übers ganze Gesicht und
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