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0850 - Rache aus der Totenkammer

0850 - Rache aus der Totenkammer

Titel: 0850 - Rache aus der Totenkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Wie viele Personen dieses Haus nur als Tote verlassen hatten, wußte Franz Jochem nicht, obwohl er hier gearbeitet hatte.
    Was heißt gearbeitet?
    Er war nicht mal ein Mitläufer gewesen.
    Er war hier als Mädchen für alles eingestellt worden.
    Er hatte geputzt, repariert, gekocht und auch versucht, den Gefangenen – Frauen und Männern – das Leben ein wenig zu erleichtern.
    Er hatte ihnen so manche Zigarette heimlich zugesteckt, auch mal einen Riegel Schokolade, obwohl er an die selbst schlecht herangekommen war.
    Das lag lange zurück.
    Mehr als vier Jahre waren vergangen. Jochem konnte es selbst noch nicht begreifen. Er war längst Rentner geworden, lebte einigermaßen gut in den Tag hinein, auch deshalb, weil er keine Miete entrichten mußte, denn das kleine Haus gehörte ihm, und er war an diesem Tag zurückgekehrt, weil es ihm einfach in den Sinn gekommen war, die alte Stätte noch einmal zu besuchen.
    Sie war leer. Auch touristisch gesehen tat sich hier so gut wie nichts. Bautzen wurde besucht, bestaunt, dieses alte Gemäuer war tabu. Da tat sich nichts, es gammelte vor sich hin. Was einmal mit ihm geschehen würde, wußte wohl niemand.
    Jochem war in den Keller gegangen, in den Bunker, in die Vorhölle. Man hatte viele Namen dafür gefunden, denn hier unten befanden sich die Kammern des Schreckens. Winzige Einzelzellen, manche nur so niedrig, daß sich die darin eingesperrte Person nicht einmal hinstellen konnte. Da mußte sie dann sitzen oder knien, sonst wäre sie mit dem Schädel gegen die Decke geprallt.
    Jochem erinnerte sich. Er hatte die Menschen hier schreien, weinen, toben und flehen hören. Niemand hatte sich hier mehr unter Kontrolle gehabt, dieses Stück Welt war einfach zu grausam und menschenverachtend gewesen. Hier hatte das Grauen nicht nur gelebt, hier hatte es sich auch ausbreiten können, und die Gefangenen hatte es Tag für Tag in einer neuen Bandbreite kennengelernt.
    Blut!
    Jochem bewegte die Lippen. Ja, er hatte den Eindruck, als würde er Blut schmecken. Als hätte es sich auf seine Lippen gelegt wie ein feiner Schleier, und das war damals schon so gewesen, als er hier noch seinen Dienst getan hatte.
    Widerliches Blut. Altes Blut, geronnenes Blut, aus zahlreichen Wunden wie zäher Leim tropfend und auf dem Boden die dunklen Flecken hinterlassend. Wer hier Wärter oder Wächter war, der hatte geschlagen, der war brutal gewesen und hatte alles Menschliche vergessen. Oft genug waren diese Hundesöhne hierher strafversetzt worden und ließen ihren eigenen Frust an den Gefangenen ab.
    Franz Jochem hatte nichts dagegen unternehmen können. Er hatte nur manches Mal still in der Ecke gesessen und sich die Ohren zugehalten, nur um die Schreie und das Wimmern nicht hören zu müssen. Es war furchtbar für ihn gewesen.
    Heute aber war es still.
    Da hörte er nur seine eigenen Tritte, als er den Gang bis zu seinem Ende durchging.
    Die Stromversorgung war abgestellt worden. Es gab hier unten kein Licht mehr. Noch hingen die runden Lampen an der Decke. Sie und die Gitter waren nur mehr Makulatur.
    Vorbei, alles war vorbei. Und trotzdem existierte dieser verfluchte Schrecken noch. Zumindest für ihn, denn die Bilder seiner Erinnerung waren einfach nicht zu löschen.
    Um nicht durch das Dunkel tappen zu müssen, hatte er die Stableuchte mitgenommen. Ihr Schein wies ihm den Weg. Der Kegel tanzte vor ihm als zuckender Kreis, wie ein Mond, der sich einfach zu schnell bewegte und sich den Gesetzen des Alls nicht beugen wollte.
    Er sah auch das Gangende. Und dort sah er die Tür. Der helle Kreis hatte sich sie als Ziel ausgesucht, und Jochem zuckte zusammen, bevor er stehenblieb.
    Er hatte das Gefühl, von einem Tritt erwischt zu werden. Leise stöhnte er auf, denn plötzlich überschwemmten ihn die Erinnerungen, und es waren keine schönen Bilder, die da durch seinen Kopf wanderten. Er selbst hatte in dem, was hinter der Tür lag, nie leiden müssen, aber er wußte leider Bescheid, was sich dort abgespielt hatte. Manche dieser perversen Wächter hatten mit ihren Taten angegeben, besonders in seinem Beisein, weil sie genau wußten, daß er so etwas nicht hören konnte und es auch nicht wollte.
    Sie hatte auch einen Namen bekommen. Irgend jemand hatte diesen Begriff einmal erfunden.
    Waschküche!
    Ja, eine verfluchte Waschküche, in der die Menschen gereinigt wurden. Etwas Schlimmeres hätte man für diese Zelle nicht sagen können, denn in der Waschküche wurde gestorben.
    Hingerichtet, gefoltert,

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