Romana Exklusiv 0197
kaum vorstellen. Nimm dich zusammen, mahnte sie sich, denn sie wusste, wie vorschnell sie manchmal urteilte und reagierte. „Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mich abgeholt haben, Señor, aber ich hätte auch mit dem Taxi ins Hotel fahren können, wenn …“ Sie verstummte, als sie seinem belustigten Blick begegnete.
„Ich kann nicht zulassen, dass Sie im Hotel übernachten. Sie werden Gast in meinem Haus sein.“
„Sie … Ich …“ Schockiert versuchte sie, die richtigen Worte zu finden. „Was soll das heißen, Sie können es nicht zulassen?“
„Genau das, ich kann es nicht zulassen.“
„Aber ich bestehe darauf, im Hotel zu wohnen“, fuhr sie ihn zornig an. „Fahren Sie sofort zurück …“
Er schaute sie so kühl und überheblich an, dass sie mitten im Satz innehielt. Wahrscheinlich war er es nicht gewohnt, dass man ihm widersprach.
„Ich habe Ihre Hotelreservierung annulliert.“
„Wie bitte?“ Sie konnte es kaum glauben.
„Während Ihres Urlaubs in Chile bestimme ich, wo Sie sich aufhalten“, erklärte er unmissverständlich.
„Ach ja?“ Lysan war wütend.
Er trat auf die Bremse und brachte den Wagen am Straßenrand zum Stehen. Dann drehte er sich zu ihr um, und in seinen blauen Augen blitzte es ärgerlich auf. „Ja! Sie sind eine alleinreisende junge Frau, und weder Ihr Vater noch Ihr Bruder, noch Ihr Verlobter können Sie hier beschützen. Ich glaube Ihnen, dass Sie sehr selbstständig und den Umgang mit Männern gewohnt sind, aber hier bin ich für Ihre Sicherheit verantwortlich.“
„Nein, ich …“
„Ihr Vater hat das einzig Richtige getan, als er mir das Fax schickte“, unterbrach er sie. „Sie sind viel zu schön und attraktiv, um allein in Santiago herumzulaufen.“
Er hält mich also für schön und attraktiv, überlegte sie und beruhigte sich etwas. Dennoch wollte sie nicht klein beigeben. „Ich …“, begann sie, aber wieder ließ er sie nicht ausreden.
„Ich kann Sie unmöglich im Hotel übernachten lassen, Lysan. Das müssen Sie einsehen.“ Seine Stimme klang jetzt viel sanfter, und leicht scherzhaft fuhr er fort: „Soll ich etwa zulassen, dass Sie der Hälfte unserer Männer den Kopf verdreht? Ihr Ring schützt Sie nicht vor Belästigungen.“
„Sie übertreiben bestimmt“, erwiderte Lysan steif. Er gehört bestimmt zu der Hälfte, die von mir völlig unbeeindruckt ist, dachte sie.
„Nein. Aber selbst wenn, dann bin ich es trotzdem Ihrem Vater und Ihrem Bruder schuldig, dass Sie mein Gast sind. Mein Bruder und seine Frau sind ebenfalls da, falls Sie eine Anstandsdame brauchen.“
„Die brauche ich wirklich nicht“, antwortete sie kühl. Insgeheim ärgerte sie sich über seine indirekte Andeutung, sie sei ihm gleichgültig. Und plötzlich wurde sie neugierig darauf, sein Haus zu sehen und seinen Bruder und seine Schwägerin kennenzulernen, die offenbar bei ihm wohnten.
„Also, was ist jetzt?“ Enrico wurde ungeduldig und wartete offenbar darauf, dass sie seinem Entschluss zustimmte.
Lysan kam das sehr seltsam vor, weil er es soeben noch kategorisch abgelehnt hatte, ihren Wunsch zu respektieren und sie ins Hotel zu bringen. Sie schaute ihn herausfordernd an. Was bildete er sich eigentlich ein? Sie brauchte unbedingt Ruhe, um über sich selbst und ihre Beziehung zu Noel nachzudenken, und sie wollte eine Zeit lang allein sein.
Sein Blick war hart und unnachgiebig. Enrico würde bestimmt so lange stehenbleiben, bis er die gewünschte Antwort erhielt. Die Situation war einfach lächerlich. Auf einmal gewann Lysans Sinn für Humor die Oberhand.
„Vielen Dank für die freundliche Einladung“, sagte sie betont höflich. „Ich nehme sie gern an.“ Und dann entdeckte Lysan, dass Enrico ebenfalls Sinn für Humor hatte, denn er lachte aus vollem Hals.
Es klang so herzlich, und seine Miene war so heiter und fröhlich, dass Lysan ein Kribbeln im Bauch verspürte. Dieser Mann hat eine verheerende und gefährliche Wirkung auf mich, dachte sie beunruhigt.
2. KAPITEL
Enrico lenkte den Wagen durch die reizvolle Landschaft und bog schließlich von der Autobahn ab in das grüne Tal, in dem das Weingut lag. Lysan versuchte, sich einzureden, dass sie Enrico Viveros überhaupt nicht attraktiv fand.
Alles in ihr wehrte sich dagegen, sich von Enrico manipulieren zu lassen, denn sie ärgerte sich sehr über sein eigenmächtiges Handeln. Andererseits verstand sie ihren Vater, der ihn aus lauter Sorge um sie informiert hatte, weil er ihm vertraute und
Weitere Kostenlose Bücher