Romana Extra Band 2
anmerken ließ. „Sie müssen darauf achten, dass das Glas nicht zerspringt. Es kostet zwölf Euro, eine dieser kleinen Fensterscheiben zu ersetzen. Vielleicht spornt Sie das ja an, keine kaputt zu machen.“
Das tat es, nur sollte er nicht denken, dass seine Anweisungen sie einschüchterten. Rissa aß in Ruhe zu Mittag, danach band sie die Blumen zu Sträußen und stellte Vasen auf mehrere Fensterbänke und Tische im Erdgeschoss, bevor sie Antonio suchen ging.
„Was ist nun mit der schrecklich wichtigen Arbeit, die ich übernehmen soll?“
Er hütete sich davor, sie noch einmal zu unterschätzen. Mit großer Sorgfalt zeigte er ihr, wie er es haben wollte. Schließlich konnte er nicht umhin, ihr das Kompliment zu machen. „Sie lernen schnell.“
„Müssen Sie das so widerwillig sagen?“
„Ich habe viel zu tun und keine Zeit für sinnloses Geplauder.“
„Dann verschwenden Sie nicht noch mehr Zeit für mich.“ Mit der zufriedenen Miene eines Menschen, der eine neue Lebensaufgabe gefunden hatte, löste Rissa ein langes Stück alte Farbe vom Fensterrahmen ab.
Sofort wollte Antonio nicht gehen. Einer Frau hatte er seit seinem sechzehnten Lebensjahr nicht mehr gehorcht, und er würde nicht wieder damit anfangen. Also wartete er noch einige Minuten, bevor er sich langsam entfernte.
Im Baubüro zog er den Overall aus, setzte sich an den Schreibtisch und schaltete seinen Laptop ein, um E-Mails an seine leitenden Angestellten in der Zentrale von AMI Holdings zu schreiben. Neue Mitarbeiter würden es vielleicht seltsam finden, dass Antonio Michaeli-Isola im Urlaub unentgeltlich ein Renovierungsprojekt leitete, aber ihr Boss war eben ein ungewöhnlicher Mensch.
Als Jugendlicher hatte er echten Ärger bekommen, weil er ständig die Schule geschwänzt hatte. Ein Lehrer hatte sich schließlich bemüht, den Grund dafür herauszufinden. Der alte Dini entdeckte, dass sich Antonio seine handwerkliche Begabung zunutze machte und Geld verdiente, während er eigentlich im Klassenzimmer sitzen sollte. Weil er meinte, seine verwitwete Mutter und seine Großmutter unterstützen zu müssen. Wer im Stadtviertel irgendwelche Arbeiten gut und schnell ausgeführt haben wollte, holte den Jungen. Nachdem er das erfahren hatte, überredete sein Lehrer den Direktor der Berufsschule, Antonio aufzunehmen. Und der zeigte sich für das in ihn gesetzte Vertrauen erkenntlich. Mit neunzehn hatte er genug verdient, um sein erstes baufälliges Haus kaufen zu können. Nach der Sanierung hatte er es zu einem erschwinglichen Preis und dennoch mit Gewinn an ein junges Ehepaar verkauft.
Jetzt war er der milliardenschwere Boss eines internationalen Bauunternehmens, aber er vergaß niemals, wie es war, benachteiligt zu sein. Und von Zeit zu Zeit arbeitete er gern wieder auf einer Baustelle, anstatt nur vom Schreibtisch aus Befehle zu erteilen. Den Palazzo Tiziano zu restaurieren machte doppelt Spaß, weil er wusste, dass das Haus früher oder später ihm gehören würde.
Er schuldete es seinen Vorfahren, sich um ihr Heim zu kümmern. Andererseits schuldete er den Alferes überhaupt nichts. Sie waren verwöhnte Parvenüs, die einfach nur Glück gehabt hatten. Kriegsgewinnler nannte man solche Leute.
Was die Contessa anbelangte … sie zu nehmen würde süße Rache sein. Genau das, was die Alferes verdienten. Er freute sich darauf, sich mit ihr zu amüsieren und gleichzeitig Unrecht zu rächen. Seine Arbeiter hielten immer inne und bewunderten die junge Contessa, wenn sie an ihnen vorbeiging. Die Frau, mit der er ins Bett gehen musste, um sich seinen größten Gewinn zu sichern, wurde von anderen Männern begehrt. Es erregte ihn, weckte aber auch eine Besitzgier und eine Eifersucht in ihm, die nicht zu ihm passten. Das Problem war, dass die Contessa eine Diebin war. Sie hatte in die Familie Alfere eingeheiratet und sich dadurch den Palazzo erschlichen. Und ausgerechnet sie löste so starke Gefühle in ihm aus. Es machte ihn nervös.
Aufgeregt näherte sich Rissa dem Baubüro. Ein Gespräch mit Antonio hatte sie heute schon überstanden, jetzt aber wollte sie sich in die Höhle des Löwen wagen. Überzeugt, gute Arbeit geleistet zu haben, klopfte sie mutig an. Das laute „Herein!“ ließ sie dann doch einen Moment zögern. Zu lange für Antonio. Ungeduldig riss er die Tür auf.
„Wo ist Ihr Schutzhelm?“
„Ich habe ihn vor der Haustür gelassen. Es ist zu heiß, um das Ding zu tragen, wenn ich nicht arbeite.“
„Es ist niemals zu heiß,
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