Romana Extra Band 2
Abend verzog Antonio das Gesicht. Donna sollte sich von der Contessa in Zurückhaltung unterrichten lassen. Während des ganzen Essens – angefangen bei den Antipasti bis hin zum Grappa – hatte Donna, durch die lange Tischdecke getarnt, mit den Zehen auf seinem Schoß herumgetastet. Das Essen hatte seine Geduld in mehr als nur einer Hinsicht auf eine harte Probe gestellt. Enrico Mazzini hatte seine Wut über den unerwarteten Gast nicht verbergen können. Immer wieder hatte er allen erzählt, Donna habe sich geirrt und Antonio anstatt der Contessa Alfere-Tiziano eingeladen. Den ganzen Abend hatte ihn der Grundstücksverwalter „unseren Freund, den Bauarbeiter“ genannt. Antonio lächelte bei dem Gedanken an die Verärgerung des Mannes. Natürlich hatte Donna nur die Contessa einladen sollen, damit Mazzini sie beeindrucken und einwickeln konnte. Schließlich wollte auch Enrico Mazzini den Palazzo haben.
Zweifellos hätte sich die Contessa zwischen den blasierten Jetsettern wohler gefühlt als ich, dachte Antonio. Keiner von den Leuten auf der Party wusste, was schwere körperliche Arbeit bedeutete. Er hatte es an ihren perfekten Händen gesehen. Den Typen war von Geburt an alles auf einem Tablett serviert worden!
Schockiert stellte Antonio fest, dass er die Hände zu Fäusten ballte, während er mit leerem Blick auf den Monitor starrte. Warum regte er sich so darüber auf? Er schaltete den Laptop aus und stand auf, um sich den ersten Kaffee des Tages zu kochen. Dabei bemerkte er den Briefumschlag auf dem Boden. Jemand musste ihn außerhalb der Arbeitszeit unter der Tür hindurchgeschoben haben. Als er die Tür geöffnet hatte, war der Umschlag dahintergerutscht, sodass er ihn nicht gesehen hatte. Antonio bückte sich danach, schlitzte ihn auf und stellte fest, dass es eine von der Contessa unterschriebene Liste mit Verbesserungsvorschlägen für das Anwesen war.
Was Antonio las, ließ ihn amüsiert die Augenbrauen hochziehen. Die Contessa wollte aus dem Landsitz ein rentables Wirtschaftsunternehmen machen. Er war strikt dagegen, dass fremde Leute auf seinem Grundstück herumspazierten. Immerhin musste er zugeben, dass ihre Einfälle fantasievoll waren. Die vielen Nebengebäude sollten ihrer Meinung nach zu Werkstätten oder Büros für Kleinunternehmer ausgebaut werden. Sie schlug sogar vor, in einem von ihnen ein Internetcafé einzurichten. Antonio stand solchen Ideen skeptisch gegenüber. Monte Piccolo war kein Urlaubsziel erster Wahl. Für Kunsthandwerk, handgemachte Seifen und andere Nischenprodukte würde im Sommer eine niedrige und im Winter wahrscheinlich überhaupt keine Nachfrage bestehen. Ein Internetcafé war auch problematisch. Heutzutage hassten es die meisten Leute, zu Fuß zu gehen, und das von der Contessa für das Projekt vorgesehene Gebäude lag achthundert Meter vom Dorfplatz entfernt. Besucher würden mit dem Auto kommen wollen, was den Bau von Parkplätzen erfordern würde.
Ihre nächste Idee ließ ihn laut auflachen. Sie wollte in der Gartenanlage des Palazzos ein Café im englischen Stil eröffnen. Wegen seines Firmensitzes verbrachte Antonio viel Zeit in Großbritannien, und das Essen dort war anscheinend entweder fettig oder mehlig. Manchmal sogar beides gleichzeitig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass seine italienischen Landsleute sich dafür begeistern würden.
Beim letzten Vorschlag verschwand sein spöttisches Lächeln jedoch. Die Contessa hatte die Fülle von wilden Pflanzen- und Tierarten im Piccolo-Tal bemerkt und wollte diesen Teil ihres Besitzes in ein Naturschutzgebiet verwandeln. Städter würden an Führungen teilnehmen und Natur aus erster Hand erleben können.
Das kam Antonios Traum von einem Ort, wo er seinem hektischen Alltag als Bauunternehmer entfliehen konnte, sehr nahe. Seit er hier arbeitete, hatte die Schönheit des Anwesens bei ihm schon Wunder bewirkt. Warum sollte er anderen Menschen nicht auch diese Entspannung ermöglichen? Weil dies mein Land ist, dachte er. Und er hatte nicht die Absicht, die breite Öffentlichkeit hier herumstreifen zu lassen. Schlimm genug, dass er die törichte Contessa ertragen musste.
Nachdenklich faltete Antonio den Brief zusammen. Es klang, als würde die Contessa Geld brauchen und hoffen, es durch alle möglichen Projekte zu bekommen. Donna hatte ihn gewarnt, dass Signor Mazzini der Engländerin einreden würde, sie könne ihrem Bauleiter nicht trauen. Trotzdem wollte sie offensichtlich seinen Rat. Jede Frau, die so
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