Romana Extra Band 3
Modelkarriere von Alice sowie Leonardos unermüdlichen Einsatz für die UN. Hastig überflog Alessandro die Zeilen, bis er an einem Namen hängen blieb: Lorenzo Colei.
Den Namen schwarz auf weiß gedruckt zu sehen, ließ Realität werden, was ihm bislang wie ein ferner Albtraum erschienen war. Ein Foto des Jungen fehlte glücklicherweise. Während Leonardo und Alice sich bereitwillig den Medien präsentiert hatten, hatten sie ihre Familie dem Rampenlicht ferngehalten.
Dafür hatte Alessandro sie bewundert und die Regel auf sein eigenes Leben übertragen. Er zeigte der Presse sein öffentliches Gesicht, niemals aber den Familienmenschen. Dass Leonardo ein wichtiges Mitglied dieser Familie gewesen war, machte den Verlust umso schmerzhafter.
„Alessandro?“
Ungehalten über die Störung wandte er sich um. Im ersten Moment wollte ihm der Name seiner aktuellen Begleiterin nicht einfallen. „Tara“, begrüßte er sie schließlich.
Falls ihr sein Zögern aufgefallen war, ließ sie sich davon nichts anmerken. Kein Muskel zuckte in dem makellos schönen Gesicht, mit dem das Model Jahr für Jahr Millionen Dollar verdiente.
„Alle warten auf dich, Liebling.“ Sie trat zu ihm und nahm ihm die Zeitung aus der Hand.
Das war ein Fehler. Alessandro erstarrte förmlich. Schlagartig war ihm ihre Anwesenheit unerträglich.
Tara, die seine Ablehnung spürte, hob trotzig das Kinn. „Diesen Müll solltest du gar nicht erst lesen. Geh hinaus und zeig allen, dass dieses Debakel dir nichts anhaben kann.“
Sie hat ja recht, dachte er, doch etwas in ihm war zerbrochen. Man nannte ihn gefühlskalt, und das war nicht völlig aus der Luft gegriffen. Nie im Leben hatte er Tränen um andere vergossen, noch nicht einmal um Leonardo und Alice. Doch der Gedanke an das Kind, dessen Name in der Zeitung stand, belastete ihn mehr als irgendetwas zuvor:
Lorenzo – allein, verwaist.
Das „Debakel“, wie Tara es nannte.
„Lass sie doch warten.“ Wie immer in Momenten seelischer Anspannung war sein italienischer Akzent unüberhörbar. „Wieso trägst du dieses Kleid? Wir veranstalten keine Cocktailparty, sondern ein Familientreffen.“
Tara lachte unbekümmert. „Familie? Ich bitte dich! Diese Leute sind nicht mit dir verwandt.“ Sie trat einen Schritt näher und schlang ihm die Arme um die Taille. „Du verfügst über so viel Familiensinn wie ein streunender Kater.“ Unter halb geschlossenen Lidern hervor warf sie ihm einen verführerischen Blick zu. „Ein großer starker unersättlicher Kater.“ Eng an ihn geschmiegt, ließ sie die Hand seinen Rücken hinabgleiten. „Möchtest du nicht mit mir spielen?“
Sex war das Letzte, wonach ihm der Sinn stand, und das ging schon seit Montag so, als ihm sein Assistent Carlo Santini in den frühen Morgenstunden die unfassbare Nachricht überbracht hatte. Danach hatte er sich gefühlt, als wäre er in ein unendlich großes dunkles Loch gefallen. Tara neben ihm, durch Schlaftabletten oder andere Drogen im Tiefschlaf versetzt, hatte ihm keinen Trost spenden können.
Er war ganz allein gewesen.
Mit dieser Frau will ich nichts mehr zu tun haben, schoss es ihm durch den Kopf. Er befreite sich aus ihrer Umarmung, schob sie von sich weg und drehte sie in Richtung Tür. „Raus mit dir.“
Tara kannte ihn inzwischen gut genug, um zu verstehen, dass er ihr soeben den Laufpass gegeben hatte. Damit hatte sie nicht gerechnet – nicht so bald.
„Danni hat recht. Du bist ein eiskalter Bastard.“
Wer Danni war, wusste Alessandro nicht, und es war ihm egal. Er wollte, dass Tara verschwand – aus diesem Raum und seinem Leben.
Auch die anderen sollten von Bord gehen. Er sehnte sich nach Ruhe und danach, wieder Herr der Lage zu sein. Am liebsten hätte er die Uhr zurückgedreht, zurück auf Sonntag.
Im Hinausgehen warf Tara ihm über die Schulter einen Blick zu: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie ausgerechnet du ein Kind aufziehen willst.“
Gedankenverloren sah er aus dem Panoramafenster. Schließlich gab er sich einen Ruck. Es gab viel zu erledigen. Er musste seine Entscheidung gegenüber den anderen durchsetzen, dann Carlo seine Anweisungen erteilen und schließlich Kontakt zu Lorenzo aufnehmen, dem zweijährigen Sohn seines Freundes.
„Schlaf, Kindchen, schlaf!“, sang Maisy mit ihrer warmen Stimme. Sie stand über das Kinderbettchen gebeugt, in dem Lorenzo mit rosig schimmernden Wangen schlief.
Eine halbe Stunde Vorlesen und Vorsingen hatten ihrer Stimme arg zugesetzt, und
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