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Romanzo criminale

Romanzo criminale

Titel: Romanzo criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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betreten, verspürte er das dringende Bedürfnis etwas zu trinken. Er schaute sich um, auf der Suche nach einer Flasche. Um sich zu beruhigen, machte er vierzig Kniebeugen. Askese. Reinheit. Auf der Höhe der Aufgabe sein. Er hatte ein eigenes WC. Im Spiegel sah er einen abgeklärten Vierzigjährigen mit Bürstenhaarschnitt, klaren, etwas gleichgültigen Augen. Kollegen und Untergebene marschierten der Reihe nach auf, um ihm zu gratulieren. Er wurde sie mit der richtigen Dosis Freundlichkeit und Aufmerksamkeit los. Am Nachmittag brachte man ihm ein Kärtchen von Borgia. Willkommen, Herr Vizepolizeipräfekt. Er verspürte insgeheim Freude, die er mit niemandem, vor allem nicht mit dem Richter, teilen wollte. Zum Abendessen aß er Joghurt und Rohschinken.
    Die Klagen waren zurückgezogen worden, die Zivilstrafen waren verjährt. Das Verfahren wegen Verleumdung war ad acta gelegt worden. Die Suspendierung war in eine Beförderung umgewandelt worden. Vizepolizeipräfekt Dr. Nicola Scialoja. Auf der Höhe der Aufgabe sein. Vecchio hatte ihm Sandra Belli geschickt. Vecchio hatte ihn mit dem Kopf in die Scheiße getunkt. Vecchio hatte ihn an den Haaren herausgezogen und wieder aufgerichtet. Eine Lektion. Ein Plot. Eine Geschichte. Ein Spiel. Vecchio verlangte von ihm, das Spiel in die Hand zu nehmen. Es bis zum Äußersten zu spielen. Zuzusehen, wie sie tanzten, sprangen, brannten, sich in den Abgrund stürzten. Jetzt sind Sie bereit. Sie bekommen Männer, Mittel, Unterstützung. Überall offene Türen und kein Hindernis.
    Vecchio hatte das Interview beeindruckt. Der Vergleich mit
Dr. Strangelove
hatte ihm geschmeichelt.
    – Es wird bald Veränderungen geben. Sie werden der sein, der dem Spiel eine unerwartete Wendung gibt. Rechtfertigen Sie sich vor niemandem, scheißen sie auf alles und alle. Es wird Veränderungen geben, aber dann wird wieder alles beim Alten sein. Schlimmer als zuvor. Die Menschen sind schlecht und werden sich nicht ändern. In der Zwischenzeit … erinnern Sie sich? In der Zwischenzeit …
cependant
… versuchen Sie an Boden zu gewinnen. Klettern Sie die Leiter hinauf. Befreien Sie sich von jeder Form der Vormundschaft …
    – Auch von Ihrer?
    – Ach, ich werde Ihnen auch dann noch helfen, wenn ich nicht mehr auf dieser Erde weile …
    Vecchio hatte sich von ihm mit einer verlegenen, zärtlichen Geste verabschiedet.
    So viele Arschlöcher wie nur möglich aufs Kreuz legen. Das waren seine letzten Worte gewesen.
    Er verdankte alles Vecchio. Wenn er Zeit gehabt hätte, hätte er es ihm gedankt, indem er ihn ans Kreuz nagelte. Aber der Tod sollte ihm zuvorkommen.
    Er bestellte einen Computer – allerneuestes Modell – und beauftragte ein paar vertrauenswürdige Sekretäre, das vollständige Archiv der Ermittlungen einzuspeichern, von der Entführung des Barons bis zu Bufalos Flucht. Als sie ihm das Gerät lieferten, erfüllte er sich einen Traum, den er seit Jahren hegte. Er klinkte sich in den Zentralspeicher ein und suchte nach dem Wort „Rolex“. Das Gerät machte sich summend an die Arbeit und spuckte eine Liste von dreihundertfünfzehn Dokumenten aus. Bei jeder Verhaftung und bei jeder Durchsuchung war eine Rolex im Spiel. Von den Leichen ganz zu schweigen. Die Rolex war das DOC-Etikett, die rituelle Tätowierung, von der die Richter des Kassationsgerichts geradezu besessen waren. Ohne sie hätten Bedetti & Bandiera zusperren können. Aber es gab Wichtigeres. Patrizias Name tauchte in zwei oder drei Berichten auf. Mit Erstaunen stellte er fest, dass er ihn völlig gleichgültig ließ. Es gab Wichtigeres zu tun. Mehrere Stunden verbrachte er damit, hektisch Daten miteinander zu vergleichen. Die Finanz hatte in den letzten Monaten hervorragende Arbeit geleistet. Ein neuer Richter verfolgte den Kapitalfluss beim Glücksspiel. Er nahm sich wieder einmal vor, ihn aufzusuchen. Viele Fäden, die offensichtlich nichts miteinander zu tun hatten, entfernten sich von Dandi und liefen bei Secco zusammen. Dandi geht, Secco kommt. Dandi versuchte sich abzuseilen. Er schuf sich das Image eines unbeteiligten Unternehmers. Secco war der Mann der Zukunft. Bufalo war in Freiheit. Er war der, der dem Spiel eine unerwartete Wendung geben konnte. Er lächelte. Er hatte den Jargon von Vecchio gebraucht. Er verfasste einen Bericht über Seccos Vermögen. Mithilfe des alten Anti-Mafia-Gesetzes würde er die Konfiszierung seines Vermögens verlangen. Ihn mitten ins Herz – in die Geldbörse – treffen. Im

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