Der Glücksritter
Hans Kneifel
Der Glücksritter
Feuerrot, wie eine plattgedrückte Kugel, erhob sich die Sonne über die Kämme der Dünen. Die Steinbrocken, in heilloser Unordnung über das Land verstreut, warfen lange Schatten. Der erste Wind wirbelte eine weiße Fahne aus Sand hoch. Die spiralenförmige Schlange aus Staub und Sand tanzte wie ein rasender Irrwisch über die langgestreckte Düne, deren flacher Hang das Muster der Windrippen zeigte. Der Wirbel löste sich auf, als er gegen die dürren Blätter und den knochigen Stamm eines verkrüppelten Baumes geschleudert wurde. Abudirg zog langsam den Schleier bis zum Kinn herunter, hob sich in den Steigbügeln und legte die Hand über die entzündeten Augen.
»Verdammte Wüste!« stieß er hervor. »Seit Tagen droht der Himmel mit neuen, bedrohlichen Farben und verderbenbringenden Wolken. Wir bleiben auf unseren Waren sitzen. Wer sollte sie uns abkaufen, wenn alles in Aufruhr ist und die Menschen fliehen?«
Siebzig Tiere trabten hinter dem Händler, der die Karawane anführte. Packtiere von mehr als einem Dutzend Händlern bildeten die lange Reihe der Pferde und Maultiere. Die Karawanenstraße war gesäumt von eingerammten Stäben und von den weißgebleichten Knochen von Pferden, Mauleseln, seltsamen Riesenvögeln und anderen unbekannten Tieren. Sand war über alles geweht worden. Später hatten Stürme diesen Sand weggewirbelt und Staub von anderer Farbe über die trügerische Piste gelagert. Wie immer war jede Handelskarawane ein Risiko. Wenn sie Wüsten und Stürmen, Raubgesindel und Krieg entging, wartete gewaltiger Reichtum auf die wagemutigen Männer, denn die Waren kosteten viel und gingen rasend schnell weg.
»Siehst du ein Hindernis?« rief Wachid von hinten.
»Nein. Nur Sand und Steine!« gab Abudirg zurück. »Und Gewitterwolken am Horizont.«
»Dann reiten wir weiter!« schrie Markib und knallte mit seiner Sklaventreiberpeitsche.
Die Karawane führte, abgesehen von Wasser und Futter, kleinen Zelten und einigen Reisesklavinnen, kunsthandwerkliche Gegenstände und die wertvollen Stoffe der Sarronen mit sich.
Jeder der vierzehn Händler kam aus Sarphand, der Stadt am Innenmeer. Jeder von ihnen war erfahren in der Kunst des Handelns. Und mehrere von ihnen mussten diese Karawane mit einem großen Gewinn abschließen, sonst waren sie bankrott.
An den Lagerfeuern und in den wenigen Karawansereien hatten sie schauerliche Berichte gehört. Diejenigen, die diese Erzählungen leise und stockend vortrugen, waren Krieger gewesen. Sie kamen aus dem Norden, aus Tainnia und Ugalien, und sie phantasierten von einem Kampf, den die Mächte der Dunkelwelt auf grässliche Weise gewonnen hatten. Deswegen waren die Herren der Karawane in Sorge. Kriege und Schlachten, Not und Flucht – unter solchen Umständen ließ sich schlecht handeln. Lautlos fluchte Abudirg, und während seine Gedanken sich mit allen denkbaren Verlusten und anderen üblen Dingen beschäftigten, musste er an diesen schlitzohrigen Verbrecher denken, diesen treuherzigen Schuft, der ihm eine Galeere verkauft hatte.
Nur: Diese Galeere, die seinerzeit im Hafen Sarphands in den trägen Wellen schaukelte, war keineswegs der Besitz dieses Schuftes mit dem weißblonden Haar und dem Lachen, das mühelos selbst erfahrene Händler täuschte, gewesen.
Fast wäre er, Schwarzbart Abudirg, als Rudersklave auf dieser Galeere gelandet. Aber zwei Freunde hatten ihn gerettet und ausgelöst.
Seine Schulden, samt Zins, hatte er bis zum heutigen Tag erst zu zwei Dritteln zurückzahlen können. Immer wieder tauchte das Gesicht dieses Betrügers vor seinem inneren Auge auf.
Er ließ sich wieder in den weichen Sattel zurücksinken, gab seinem Pferd die Sporen und ritt schneller. Das Seil straffte sich. Die Saumtiere wurden ebenfalls schneller. Einige von ihnen stießen keuchende Schreie aus. Abudirg versuchte sich abzulenken und dachte an seine Reisesklavin. Aber zu dieser frühen Stunde verbot es sich von selbst, mit ihr hinter einer Düne zu verschwinden. Es war besser, man brachte die Strecke jetzt, da die Hitze des Tages noch nicht wie eine glühende Speerspitze auf die Reiter und die Tiere herunterstach, ohne Verzögerung hinter sich.
Abudirg reckte sich, drehte sich im Sattel und schrie nach hinten: »Ich sehe keine Gefahren! Ihr solltet schneller reiten. Gebt den Saumtieren die Peitsche!«
Bissig grunzte Wachid zurück: »Peitsche deine eigenen Tiere. Meinetwegen auch die glutäugige Shawna. Sorge lieber dafür, dass wir
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