Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
könntest, dass du vielleicht auch Dinge tust, die andere nerven …«
» Ich bin aggressiv?« Cecilia deutete auf sich selbst. » Ich soll aggressiv sein?« Sie lief rot an, und ich merkte, dass ich den Vesuv in ihr geweckt hatte.
»Ja, du bist aggressiv. Du bist nachtragend, du vergisst nicht die winzigste Kleinigkeit, die dir mal jemand angetan hat, du übertreibst dermaßen, dass es schon ans Lügen grenzt …«
»Hört mal zu, du irre Zöpfchentante und du durchgeknallte, Tee schlürfende Krimioma! Ich kümmere mich seit Jahren um sie, seit Jahren! Um sie und Henry und Grandma, während ihr beide euch mit euren Verrücktheiten herausredet und mich gezwungen habt, alles allein zu regeln.«
»Das stimmt nicht.« Am liebsten hätte ich Cecilia geschlagen, damit sie endlich den Mund hielt. »Als das Haus ein neues Dach brauchte, habe ich euch das Geld dafür gegeben. Janie hat die Renovierung der Küche bezahlt. Letzten Sommer habe ich dafür gesorgt, dass Momma, Grandma und Henry in einem Strandhaus Urlaub machen konnten. Janie hat den Urlaub in den Bergen übernommen, weil sie weiß, wie sehr Henry Schnee liebt …«
»Ihr habt Geld geschickt. Na super! Ihr schwimmt ja schließlich beide drin. Janie, du hast so viel Geld, dass du halb Frankreich kaufen könntest. Keine von euch beiden ist öfter zu Hause gewesen, seit ihr aufs College gegangen seid, dabei wohnt ihr nur eine Stunde entfernt. Ihr wisst, dass Momma die Bäckerei wiedereröffnet hat, aber keine hat auch nur ein kleines bisschen geholfen!«
»Cecilia!«, fuhr ich sie an. »Janie und ich haben eine Pflegerin für Grandma und Henry engagiert, die mit im Haus lebt. Wir haben mehrere Vorstellungsgespräche geführt, eine ausgesucht und sie zu euch geschickt.«
»Das hat aber nicht funktioniert, ja?«, schrie meine Schwester und stampfte mit dem Fuß auf. »Ich hab’s doch vorher gesagt. Ich hab’s gewusst! Grandma hielt die Pflegerin für einen alten Stammesfürsten, den sie auf ihrem letzten Flug um die Welt als Amelia Earhart auf einer Insel kennenlernte.«
»Wieso hielt Grandma die Pflegerin für einen Stammesfürsten?«, fragte Janie und drückte die Fingerspitzen aufeinander. »Die trug doch weder Federschmuck noch Kriegsbemalung …«
»Woher soll ich das wissen?«, fuhr Cecilia sie an. Der Zucker vom Donut sprühte ihr aus dem Mund. »Sie ist dement. Henry mochte die Pflegerin auch nicht, er meinte, sie sähe aus wie ein Gecko. Er lief weg und versteckte sich hinter einer Mülltonne im Schuppen, wo ihn die Polizei schließlich fand. Momma sagte, die Frau würde nach Mottenkugeln und Tod riechen.«
»Sie hat nicht gerochen«, widersprach ich. »Sie war eine freundliche Dame. Sie kam aus Maine.«
»Maine hin, Maine her. Keiner konnte sie leiden. Momma sagte zu der Pflegerin, sie erinnere sie an Jack the Ripper, nur mit Busen. Die Pflegerin wollte von mir wissen, ob Momma auch verrückt sei.« Cecilia warf den Kopf nach hinten, schaute zur Decke und hob die Hände, als bitte sie um Erlösung.
Momma war nicht in dem Sinne verrückt. Aber sie war schon ein verrücktes Huhn.
»Jack the Ripper?«, stöhnte Janie. »Da ist doch gar kein Bezug. Jack the Ripper war ein englischer Massenmörder, der den Opfern …«
»Wir wissen, wer das war«, unterbrach Cecilia ihre jüngere Schwester und griff zum nächsten Donut. »Ich will mal Klartext reden, ihr beiden. Ich bin erschöpft. Ich bin am Ende. Ich kann nachts nicht schlafen.« Tränen traten in ihre Blaubeeraugen und liefen ihre roten Wangen hinunter. »Ich unterrichte in der Vorschule, dann kümmere ich mich um die Mädchen – beide haben Probleme, von denen ihr nichts wisst … ich helfe Momma, versorge Henry und Grandma …«
Sie schlug die Hände vors Gesicht und gab schluchzende, erstickte Geräusche von sich. Dazu kullerten ihr große Tränen über die Wangen. Mir zerriss es fast das Herz. »Ich kann einfach nicht mehr. Die Anwälte liegen im Clinch, und dann Parker und diese … diese Schlampe …«
Janie begann ebenfalls zu heulen. Sie muss immer mit weinen, wenn es einer von uns schlechtgeht, die unschuldige Seele. Am Computer ein Killer, aber sie konnte niemanden leiden sehen. Ich stand auf und legte den Arm um Cecilia.
»Ich ertrage sie nicht mehr.« Cecilia schniefte, hustete und schnaufte, und ich zog sie an mich. »Und ich kann … ich kann nicht …«
»Was kannst du nicht?«, fragte ich.
»Ich kann nicht mehr …«
Sie zeigte auf den Donut. »Ich kann nicht
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