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Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Titel: Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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lag.
    »Ihr seid da!«, verkündete er und gab uns beiden einen Kuss. »Ihr seid bei Henry! Jippie! Bei H-E-N-R-Y!«
    Ich drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und sagte: »Ich hab dich lieb, Bruder Henry.«
    Er kicherte. »Ich hab dich auch lieb, Schwester Isi.«
    Janie küsste ihn auf beide Wangen. Wir umarmten ihn, und meine Liebe zu ihm traf mich unvermutet.
    Ich hörte, wie Janie laut zählte. In Kürze wären wir bei unserer Momma, der Hexenmeisterin, bei unserer Grandma, die sich für Amelia Earhart hält, und bei unserer Schwester Cecilia, die einen Charakter wie ein Hurrikan hat.
    Mal ganz ehrlich: Henry ist der einzig normale Mensch in unserer Familie.
    Der Einzige.

    Ein langer Bauerntisch stand in der Mitte der eindrucksvollen Landhausküche, die Janie bezahlt hatte, um ihre Schuldgefühle loszuwerden, weil sie nicht hier bei der Giftnatter in dem Irrenhaus wohnte.
    Eine geschwungene Glasvase mit rosa und violetten Blumen zierte den Tisch. Auf der Fensterbank stand eine Sammlung bunter alter Glasflaschen, in denen sich das Sonnenlicht fing. Zwei Verandatüren ließen den nie abflauenden Wind herein.
    Cecilia nahm uns beide in die Arme, drückte uns wie ein großer Bär und stellte sich dann rechts von mir auf, ein schwesterlicher Soldat im Kampf gegen Momma, die Natter.
    Als Janie und ich hereinkamen, machte Momma sich nicht die Mühe, von ihrem Platz am Tisch aufzustehen, wo sie Walnüsse knackte. Nahezu melodisch flötete sie: »Henry, mein Schatz, könntest du mir bitte einen Blumenstrauß pflücken? Du bist der Einzige, der das richtig macht.«
    »Ja, sofort, Momma!« Henry nahm sich eine Schere, blies uns einen Kuss zu und hüpfte durch die Tür nach draußen. »Ich hab die Schwestern gebracht, jetzt hol ich Blumen. Bin gleich wieder da!«
    Um sich ein akkurates Bild von Momma zu machen, stellt man sich am besten eine Mischung aus einer älteren Scarlett O’Hara in Blond und der Königin von England mit ihrer stählernen Kühle vor. Bloß wurden Scarlett O’Hara und die Queen nicht am Ufer des Columbia River gezeugt, wodurch Momma ihren Namen erhielt.
    River Bommarito hat aschblondes Haar, das sich zu einer eleganten Außenwelle auf ihre Schultern legt. Als wir kleiner waren, trug sie es entweder schick gebürstet oder auf dem Kopf festgesteckt. Festgesteckt war es nur, wenn sie tage- oder wochenlang im Bett lag, von ihren Depressionen überrollt wurde und uns anschrie, wir sollten uns verdammt nochmal verpissen .
    Irgendwann dann, nachdem sie immer tiefer in ihre eigene Hölle gerutscht war und ihre alte Natternhaut abgestreift hatte, stand sie aus unerfindlichen Gründen wieder auf, duschte, schminkte sich, schlüpfte in ein Kleid und in hochhackige Schuhe, und ihre Depressionen waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
    Sie suchte sich eine neue Arbeit, meistens eine absolut nervtötende, oder ihr alter Chef nahm sie zurück, weil sie so viel Geld für ihn reingeholt hatte, und das war es dann. Keine Erklärung, keine Entschuldigung, kein Dankeschön an die drei kleinen Töchter, die das Leben im Haus aufrechterhalten hatten, während sie in ihren Dämmerzustand versunken war.
    Kein Familienrat redete mit uns über das Trauma, das wir durchlebt hatten. Die Traumata wurden zum Familiengeheimnis, niemals erwähnt oder aus der Büchse der Pandora gelassen.
    Als wir Schwestern auszogen, Momma älter wurde und eben jene Grandma, die von Momma einmal als »mieses Faltenmonster« beschimpft worden war, in die Altersdemenz rutschte, legte unsere Mutter sich zum Glück nur noch selten für längere Zeit ins Bett.
    Vielleicht wollte Momma bloß so viele normale Tage wie möglich erleben, ehe Grandmas Demenz auch bei ihr durchschlug. Oder sie bekam keine Depressionen mehr, weil sie nicht mehr in finanzielle Engpässe oder emotionale Zwangslagen geriet.
    Oder aber sie stand unter Drogen. Sie hatte uns zwar gesagt, sie würde keine Medikamente nehmen, aber da war ich mir nicht sicher. Ganz und gar nicht.
    Janie neben mir begann zu zählen, bei jeder Zahl drückte sie die Fingerspitzen aneinander. »Eins … zwei … drei … vier …«
    Ich reckte das Kinn ein wenig in die Höhe.
    Cecilia flüsterte: »Sprich, alte Hexe!«
    Böse funkelte Momma uns an, als wären wir Gewürm, dann stand sie auf, legte den Nussknacker vorsichtig auf den Tisch und rieb sich die letzten Nusskrümel von den Händen. Dabei ruhte ihr intensiver Blick auf uns.
    »Ach, die unmöglichen Mädchen sind also doch noch

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