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Rosas Vermaechtnis

Rosas Vermaechtnis

Titel: Rosas Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Leinweber
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und zwei edle Ritter nach dem ersten Hahnenschrei aus ihren Heimatstädten aufeinander zureiten zu lassen. Und dort, wo sie sich träfen, wollte man schlussendlich die Grenze ziehen.« Alexandra machte eine Pause, um die Spannung ein wenig zu erhöhen. »Die Sieneser taten alles, um einen schönen, weißen Hahn aufzupäppeln, während die Florentiner ihren kleinen schwarzen Hahn nur wenig fütterten, sodass er am besagten Morgen schon sehr früh krähte und der florentinische Ritter sich auf den Weg machte. Das führte dazu, dass er dem Sieneser zeitlich weit voraus war und diesen erst in Fonterutoli traf, das nur ungefähr 23 Kilometer von Siena entfernt liegt.« Alexandra legte eine Pause ein und schaute in die Runde. »Somit fiel ein großes Gebiet, das schließlich fast das ganze Chianti-Classico-Gebiet ausmachte, an die Florentiner, und seitdem ziert der schwarze Hahn die Flaschen dieses wunderbaren Weines.«
    Applaus erhob sich und Alexandra hob noch einmal lächelnd ihr Glas, in dem der Chianti in dunklem Rot leuchtete: »Möge er Ihnen jetzt besonders gut schmecken!«
    Es dauerte noch weitere zwei Stunden, bis der letzte Gast sich auf den Heimweg machte, und Alexandra warf abschließend einen zufriedenen Blick auf die Bestellungen.
    »Unsere Themenabende machen sich gut«, rief sie in die benachbarte Gewölbeküche hinein, während sie die leer gegessenen Teller einsammelte. Ihre Freundin Marie Sander streckte den Kopf in den Raum. »Ich bin so froh, dass wir beide die Idee hatten, zu den Weinen auch Spezialitäten aus der jeweiligen Region anzubieten. Das ist viel gemütlicher, und die Leute fangen sofort an, miteinander zu reden, auch wenn sie sich gar nicht kennen. Hast du das auch gemerkt? Und das Kochen macht mir ja sowieso großen Spaß.«
    Marie wischte sich lachend ihre nassen Hände an der Schürze ab und trat jetzt zu Alexandra an den großen Refektoriumstisch, um ihr beim Abräumen zu helfen.
    Ein größeres Kontrastprogramm, als die beiden Frauen es in ihrer äußeren Erscheinung boten, konnte man sich kaum vorstellen. Alexandra Lindner, die groß, schlank und sportlich war und manchmal ein wenig burschikos daherkam, fuhr sich erschöpft mit der Rechten durch ihr kurzes, naturblondes Haar.
    »Komm, lass uns zum Abschluss noch ein schönes Glas Wein zusammen trinken«, schlug Marie vor, während sie schon wieder auf dem Weg in die Küche war, um die angebrochene Flasche Grauburgunder aus dem Kühlschrank zu holen.
    »Aber wirklich nur ein Glas!«, rief Alexandra ihr ergeben nach. Marie machte gern die Nacht zum Tage, aber heute fühlte Alexandra sich dazu außerstande. Im Gegensatz dazu wippten Maries dunkle Locken sogar noch nach einem so ausgefüllten Tag wie diesem bei jedem Schritt unternehmungslustig auf und ab, als sie jetzt den Raum mit der vor Kälte perlenden Flasche in der Hand wieder betrat. Alexandra musste unwillkürlich lächeln. Quirlig, klein und ein wenig rundlich war Marie mit ihrem Puppengesicht und ihrer Fröhlichkeit, die sie nur sehr selten verließ, der Inbegriff der guten Laune. Durch ihre Offenheit und ihre warmherzige Ausstrahlung schaffte sie es immer wieder, alles und jeden um sich zu scharen – es schien so eine Art Naturgesetz zu sein, dass man sich in ihrer Gesellschaft einfach wohlfühlte.
    Alexandra und Marie kannten sich seit der gemeinsamen Schulzeit und waren eigentlich immer schon Freundinnen gewesen, bis auf einige Jahre, in denen sie sich aus unerklärlichen Gründen aus den Augen verloren hatten. Damals war es Marie gewesen, die auf Alexandras Briefe nicht mehr reagiert hatte, bis diese es schließlich aufgab. Sieben Jahre hatte ihre Pause gedauert, bis sie sich im Rahmen eines Klassentreffens zum ersten Mal wieder begegneten und beidseitig das Gefühl hatten, es sei inzwischen überhaupt keine Zeit vergangen. Marie tat nun ihrerseits alles, um den Kontakt zu ihrer Freundin aufrecht zu halten, und seit einem Jahr führten die beiden inzwischen ihren gemeinsamen Weinhandel, wobei sie alle Kraft und Energie in den Neubeginn und den Auf- und Ausbau ihres Geschäftes steckten, sodass für ein ausgefülltes Privatleben im Moment wenig Zeit blieb, was aber keine von beiden beunruhigte.
     
    Als Alexandra jetzt über den Hof zum Nebengebäude ging, in dem ihre Wohnung lag, blieb sie auf halbem Wege stehen, um sich vor lauter Müdigkeit zu strecken. Sie gähnte laut und atmete die frische Nachtluft mit Genuss ein, als sie unvermittelt stutzte. So frisch, wie sie

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