Rosen lieben Sonne
eine der wenigen Gegenden in der westlichen Welt, wo Schwule beider Geschlechter verhältnismäßig sicher und verhältnismäßig frei und verhältnismäßig offen leben können. Als West Hollywood zu einer eigenen Stadt wurde, war sogar der erste Bürgermeister schwul.
Ich wollte zu einer Männer-Bar namens »Green Flamingo«, und das fiel mir relativ leicht, weil ich einfach dorthin fuhr, wo sie war: an der Ecke Santa Monica/South Tangerine, gegenüber vom Rexall Drugstore und direkt neben einer kleinen Boutique namens »Heavy«, wo man Lederklamotten und die passenden Accessoires (wie Ketten, Hundehalsbänder, Nietengürtel und Stachelarmbänder) kaufen konnte. Ich parkte hinter der Bar.
Drinnen war es kühl, angenehm kühl, und die Lunch-Gäste hatten schon bestellt. Der Laden war schwarz mit Chrom, und natürlich standen überall Topfpflanzen. An einer Wand glänzte ein wundervolles Nickelodeon, und hinter der Bar stand ein wundervolles Mädel, das ich ein bißchen besser als ein bißchen kannte — sein Name war Richard Delacroix, aber wenn er sich aufgetakelt hatte, war ihm Miss Peggy lieber.
Wir begrüßten uns und fragten einander, ob wir den und den kürzlich gesehen hätten, dann brachte er mir eine eisgekühlte Flasche Löwenbräu und fragte, was um Himmels willen ich im Flamingo wollte, zur Mittagszeit, oder, wenn man genau darüber nachdachte, überhaupt? Ich hätte doch wohl nicht — er warf mir einen koketten Blick zu — über mich nachgedacht, oder?
»Ich hab schon genug Probleme«, sagte ich. Er grinste breit, öffnete einem Kunden eine Flasche alkoholfreien Wein, rief einem Pärchen an einem Ecktisch »Benehmt euch, ihr zwei beiden!« zu, obwohl die beiden überhaupt nichts getan hatten, soweit ich sehen konnte. Dann konzentrierte er sich wieder auf mich.
»Und bei einem meiner Probleme«, sagte ich, »hatte ich gehofft, daß du mir vielleicht helfen könntest. Hast du ein paar Minuten Zeit?«
»Matt!« rief er. »Nimm du mal die Bar, ja?«
»Wohin?« fragte ein winziges, dickes Männchen zurück. Er trug ein enganliegendes, hautfarbenes T-Shirt, auf dem alle Oberkörpermuskeln aufgedruckt waren.
»Los, Baby, komm mit«, sagte Richard zu mir, »hier entlang.« Er führte mich an den Toiletten (die beide mit dem Schild >Damen< markiert waren) vorbei in einen kleinen Büro-/Lagerraum. Es gab nur einen Stuhl; er bedeutete mir mit einer Handbewegung, mich zu setzen, während er sich auf eine Schreibtischecke hockte. Durch das kleine Fenster kam genug Licht herein, daß wir keine Lampe brauchten.
Richard nahm seine Perücke ab, einen schwarzen Pagenkopf, und seufzte erleichtert. Darunter war er total kahl; kahl wie rasiert, nicht kahl wie kahl. Er sah immer noch zum Anbeißen aus.
»Erinnerst du dich an unsere erste Nacht?« fragte er nach einer Minute.
»Wer täte das nicht«, sagte ich kläglich. Er hatte meinen Arsch gerettet, wenn nicht sogar mein Leben. Auf einem Parkplatz Downtown. Ich war zusammengetreten und — geschlagen worden, man hatte mich ausgeraubt und mit einem Messer verletzt, und man war noch lange nicht mit mir fertig — als Einsfünfzig auf Stilettos und im Minirock einem roten Mustang entschwebten und vor meinen Augen die beiden Gangster mit einem Nachwuchs-Baseballschläger ausknüppelten. Sie schnappte sich ihr Geld, ihre Uhren und ihre Ringe und lieferte mich freundlicherweise beim nahegelegenen County Krankenhaus ab.
»Damals war ich eine Blondine«, sagte er. »Meine kitschige Phase.«
»Ich frage mich, warum du ausgestiegen bist.«
»Das Glück der Dummen«, sagte er. »Außerdem war ich so auf Speed, daß ich wahrscheinlich dachte, ich sei Wonder Woman.«
»Na, dann hör mal zu, Wonder Woman«, sagte ich, »meinem Freund Jim gehört eine Lokalität im Valley, das Two-Two-Two.«
»Eine Lokalität? «
»Schon gut. Eine Bar.«
»Aha«, sagte er. »Zwei von den Mädchen haben mal davon geredet. Soll ruhig sein da. Wie ne Bibliothek. Klingt nett.« Er schnappte sich die Puderdose vom Tisch und erneuerte seinen Lippenstift.
»Muß das sein?« fragte ich. »Das macht mich unheimlich nervös.«
»Das ist dein Problem, Sweetie«, sagte er und warf mir einen schmachtenden Blick zu.
»Laß das jetzt, okay? Also, Jim möchte erstens wissen, ob sein Laden sich gerade in eine Schwulenbar verwandelt, und zweitens, ob er etwas dagegen unternehmen kann.«
»>Vielleicht< ist die erste Antwort, >zurücklehnen und sich wohl fühlen< die zweite«, sagte Richard. »Meine
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