Rosen und der Tod)
Äußerung reizte. „Ich fahre“, sagte ich und ließ keine Widerrede zu. Der Chelsea Harbour Pier ist der Anlegeplatz für die kleinen, aber feinen Yachten der reichen Leute. Direkt daneben ist ein Nobelhotel, dessen Manager uns schon händeringend erwartete. Bisher hatte dieser Mann, dessen Arroganz uns bereits auf ein paar Metern entgegen stank, nur mit den Jungs von der Gerichtsmedizin zu tun gehabt. Dahingehend konnte ich seine schlechte Laune verstehen. Nach außen hin waren sie äußerst schweigsam und jedem feindlich gesinnt, der auch nur in die Nähe ihres Tatortes kam. Selbst wir – die wir von der gleichen guten Truppe waren – konnten ihnen ihre Informationen nur durch Penetranz und einer gewissen stoischen Ruhe entlocken, die ihresgleichen suchte. Der Manager tanzte aufgeregt vor Peel herum, während ich mich zum Pier begab. Viele Gestalten in weißen Papieranzügen standen dort herum, tupften mit ihren Tupfern irgendwelche Flüssigkeiten auf, machten Fotos und sahen ansonsten sehr geheimnisvoll aus. „Guten Morgen.“ Mit diesem leisen Gruß versuchte ich mich, an die sonst sehr scheuen Kellerwesen heranzutasten. Einer von ihnen drehte sich zu mir herum, nickte und erwiderte den Gruß. „Hamill“, stellte er sich vor, gab einem anderen weißen Papieranzug einige Anweisungen und kam dann zu mir. „Ihr seid spät“, bemerkte er süffisant und ich verzog das Gesicht. „Kompetenzgerangel. Was habt Ihr?“ Ich versuchte einen Blick über seine Schulter zu erhaschen, was er jedoch geschickt zu verhindern versuchte. „Leiche, weiblich, weiß, zwischen 20 und 30 Jahre. Blonde Haare, gefesselt … könnte also in eure Riege passen.“ Jetzt sah er sich um und ich hatte freien Blick. „Darf ich?“ Er nickte es, ließ mich aber nicht aus den Augen. Zumindest passte die Beschreibung nicht auf Miss Amelia. Ein Hoffnungsschimmer. Wenn man mit Leichen zu tun hat, dann gibt es so etwas wie ein Ranking von dem, was man nicht finden möchte. Wasserleichen stehen auf der Skala ganz weit oben. Sie sind aufgedunsen, meist von Ungeziefer angefressen, stinken und geben seltsame Geräusche in den unmöglichsten Augenblicken von sich. Diese hier machte keine Ausnahme und sie war definitiv nicht Miss Amelia. Das konnte ich schon erkennen, auch wenn ihr Gesicht so breit und aufgeschwemmt wie ein Pfannkuchen war. „Was schätzt Ihr, wie lange sie schon schwimmt ?“, fragte ich, ließ mir Handschuhe und einen Tupfer reichen, damit ich an einigen Stellen genauer hinsehen konnte. „Vielleicht zwei Tage. Genaueres, wenn wir sie untersucht haben.“ Ich hörte zu und nickte, während ich versuchte, meinen Magen davon zu überzeugen, sich nicht über der Leiche zu übergeben. Gerade hatte ich an den Schultern des Opfers eindeutige Nagespuren entdeckt. Ich bedeckte meinen Mund. „Nur was für ganz Harte“, hörte ich Hamill sagen. „Ich brauche detaillierte Fotos der Fesselungen“, bat ich ihn. „Schon geschehen.“ Mit einem schrägen Grinsen reichte er mir eine Speicherkarte. „Habt Ihr Papiere gefunden? Sonst irgendwas, was helfen könnte?“ Hamill schüttelte den Kopf und angesichts der Tatsache, dass die Leiche bis auf die Fesseln unbekleidet war, war meine Frage ziemlich dämlich. Er wusste das, ich wusste das. „Zu wenig Kaffee“, entschuldigte ich mich. Zerknirscht zog ich davon und suchte wieder einmal nach Peel. Der Ärmste hatte immer noch mit dem Manager zu tun. Ich sah nur kurz hin und wusste, da stimmt was nicht.
Langsam ging ich auf die beiden zu. Zu langsam. Peel hatte sich abgewandt, fasste sich an die Brust und schnappte nach Luft. Wie in Zeitlupe fiel dieser riesige Mann erst auf seine Knie, dann zur Seite, um dort liegen zu bleiben. Ich versuchte zu rennen, auf ihn zu, ihn aufzurichten. Zwischendurch schrie ich nach einem Arzt, einem Sanitäter oder einfach nach jemandem, der etwas tun konnte. Peels Augen waren weit aufgerissen, aus seinem Mund krochen röchelnde Laute. Wie panisch versuchte ich ihm die Krawatte zu lösen. Immer wieder tätschelte ich ihm die Wange, rief seinen Namen, versuchte ihn wach zu halten. Jemand zog mich von ihm fort und leitete Wiederbelebungsmaßnahmen ein. Noch während dieser Jemand Jonas beatmete, kam ein weiterer Jemand, der eine Trage bei sich hatte. Mehrere Jemands waren nötig, um den großen Kerl auf das Gefährt zu hieven. Dann schoben sie ihn fort. Ich versuchte hinterher zu gehen. Aber meine Beine versagten mir den Dienst. Stattdessen holte ich die
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