Rosen und der Tod)
Speicherkarte aus meiner Hosentasche und pfiff einen Kollegen ran. „Das soll sich Linney ganz genau ansehen. Und wenn ich sage „Ganz Genau“, dann meine ich unter der Lupe.“ Er nickte, verschwand und ich suchte nach meinem Handy. Wie in Trance rief ich Lissy an, damit sie erfuhr, was gerade geschehen war. Nachdem das alles erledigt war, sah ich mich um. Fragende Gesichter starrten mich an. „Was“, pöbelte ich diese Gesichter an und ging. Das Chelsea and Westminster Hospital ist fünf Minuten mit dem Rettungswagen entfernt. Wenn die Busspur frei ist. Sie war es. Ich fuhr mit Blaulicht und Sirene. Wenn mich jemand erwischen würde, würde eine dicke Disziplinarstrafe meine Akte zieren. Aber das war mir egal. Das war Jonas, der da im Wagen lag. Ich war nicht die Erste, die dort eintraf. Der Director of Police war bereits vor Ort und sah mich fragend an. Auch Lissy, die verzweifelt versuchte in den Untersuchungsraum zu kommen, bombardierte mich mit Fragen. Der diensthabende Arzt hatte mit diesen beiden schon genug zu tun und nun stand ich dort und versuchte ebenfalls Zugang zu Jonas zu bekommen. „Nur Familienangehörige“, schob mich einer der Pfleger grob beiseite. „Sie ist seine Tochter“, hörte ich Lissy sagen und augenblicklich herrschte Stille. Verlegen sah ich zur Seite, erhaschte aber noch den missbilligenden Blick des Directors. Wütend richtete er den Kragen seines Jacketts. „Wir sprechen uns noch“, murmelte er und verschwand. Lissy und ich wurden vorgelassen. Und in diesem Moment wünschte ich mir, dass ich nicht darauf bestanden hätte, ihn sehen zu wollen. Dieser große, kräftige – ja beinahe bullige Mann, der immer freundlich war, immer ein Lächeln – wenn auch schon mal ein Trauriges – um die Mundwinkel hatte, der so viel Vertrauen in die Menschen hatte, dass er glaubte, jeder wäre es wert gerettet zu werden, war nur noch ein Schatten seines Selbst. Das große Bett, mit der großen blauen Matratze, die vielen Geräte und Schläuche, die permanent fiepten und rauschten, das blassblaue Licht, das sein Gesicht nur noch eingefallener wirken ließ, ließen ihn fast verschwindend klein erscheinen. „Zwei Faktoren“, sagte eine dunkle Stimme aus dem Off zu uns. Lissy griff nach meiner Hand und ich konnte sehen, dass ihr die Angst die Kehle zuschnürte. „Der Herzinfarkt war zwar schmerzhaft, aber nicht lebensbedrohlich. Ein kleiner Ballon-Katheder, dann entscheiden wir, ob wir einen Stent legen. Problematischer ist die Hirnblutung. Solange wir nicht wissen, wie stark diese ist, können wir das Herz nicht operieren. Wir müssen seinen Schädel öffnen, damit der Druck auf das Gehirn abschwellen kann.“ Die dunkle Stimme aus dem Off trat ab und ließ uns allein. Lissy und ich standen vor der großen Glasscheibe und betrachteten den Mann, der für uns beide alles bedeutete. Wir sahen dabei zu, wie Pfleger sein rollendes Bett vorbereiteten und ihn aus dem Zimmer, über den Flur, hinüber zum Aufzug schoben, wo er dann aus unseren Augen verschwand. Schweigend setzten wir uns auf die Bänke im Besucherbereich und warteten. Die Zeit zog sich wie ein alter Kaugummi. Zwischendurch vibrierte mein Telefon, aber ich sah mich außerstande, einen der Anrufe anzunehmen. Es reichte also nicht, dass ich mich elendig fühlte. Nein: Etwas von außen musste mich auch noch weiter nerven. Doch auch wenn ich diesen Störfaktor durch eine einfache Handlung verbannen konnte: Ich wurde nicht ruhiger. Schlimmer noch. Mein Puls raste, mein Kopf drohte zu zerspringen. Meine Haut kribbelte als würden Ameisen darüber hinweg laufen. „Ich muss an die frische Luft.“ Ich war aufgesprungen, hatte mich kurz zu Lissy umgedreht und sah in ihre verweinten Augen. „Geh ruhig, Liebes“, sagte sie. Dann nahm sie ihr zerknäultes Spitzentaschentuch und schnäuzte sich. „Soll ich Dir einen Tee mitbringen?“ Sie nickte abwesend. Mit dem Gefühl des schlechten Gewissens, dass ich die Frau dort allein warten ließ, ging ich zum Treppenhaus. Im Aufzug wäre ich erstickt. Also lief ich die vier Etagen hinunter, und als ich die Eingangshalle betrat, sah ich mich um. Der Kiosk lag zu meiner rechten in der Nähe des Ausgangs. „Eine Schachtel Luckies, bitte“, sagte ich und starrte zum Ausgang hinüber. Die automatische Tür schien mich mit ihrem leisen Seufzen jedes Mal zu locken, wenn sie sich öffnete und wieder schloss. „Komm, Rosalie … nur ein Schritt … dann kannst du laufen“ , schien sie zu sagen. Ich
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