Rosen und der Tod)
gesenkt und rührte nachdenklich seinen Tee. Wie in Zeitlupe führte er die Tasse an seine Lippen, trank und stellte dann das leere Gefäß neben sich auf dem Tisch ab. Mit beiden Händen stemmte er sich aus dem Korbstuhl, blieb stehen und ließ seinen Blick über den Garten schweifen. Dann – wirklich vollkommen überraschend – schien ein Ruck durch Sir Russel zu fahren, und er kam zu mir herüber. Er beugte sich zu mir, küsste mich auf die Stirn, und während er sich aufrichtete, sagte er: „Was immer Sie wünschen, Miss Rosalie.“ Mit diesen Worten ging er und ließ mich ein weiteres Mal allein und voller Fragen zurück. Sprachlos starrte ich ihm hinterher. Das war´s? Was immer ich wollte? Das es zu erwarten war? Es lag sicher nicht am heißen Tee, den ich getrunken hatte, aber ich kochte vor Wut. Der Kerl verging sich genüsslich an meinem Hintern, und als ich ihm sagte, dass das so nicht funktionieren würde und es auch nicht tat, ging er und ließ mich in der Luft hängen. Ich fühlte das Porzellan in meiner Hand, immer noch warm vom Tee, und ehe ich es mich versah, flog das gute Stück gegen die Brüstung der Terrasse. Aufgewühlt sprang ich auf, ging zurück ins Zimmer und suchte meine Schuhe. „Dieses Arschloch“, fluchte ich vor mich hin, weil ich mal wieder vor einen der hässlichen Gegenstände gelaufen war und mir den großen Zeh angestoßen hatte. „Der kann was erleben, wenn er den erwische!“ Damit beendete ich meine einsame Flucherrei, riss die Tür auf und stürmte hinaus. Von Russel war nichts zu sehen. Typisch. Kaum an der Treppe angekommen, fiel mir jedoch auf, dass etwas Unvorhergesehenes und Entscheidendes vor sich gegangen sein musste. Meine Kollegen liefen wie aufgescheuchte Hühner im Foyer herum, die Mitglieder der Bruderschaft hingegen standen etwas abseits und sie machten allesamt einen besorgten Eindruck. „Toll“, dachte ich und meine Wut auf Russel steigerte sich noch etwas mehr, „wegen dieses Idioten verpass ich wieder alles.“ Ich zog mir die Schuhe an, während ich die Treppe hinunter ging, schwankte an der einen oder anderen Stelle bedenklich und kam doch heil unten an. Suchend sah ich mich um. Wo war DCI Peel? Wer waren diese vielen fremden Kollegen? Denn dass es welche waren, konnte ich an ihren ernsten, geschäftig aussehenden Gesichtern und an ihren Körperhaltungen erkennen. Wie im Wahn wühlte ich mich durch die vielen Körper, hörte die aufgeregten Stimmen, die Anweisungen in Handys brüllten, die die andere Seite nicht verstehen würde, weil die Geräuschkulisse zu laut war und die Stimmen durch das Brüllen verzehrt. Kurz blickte ich in den Büroraum, aber auch da war Peel nicht zu sehen. Doch jemand anderen konnte ich in ihrer Lieblingsecke erkennen. Miss Amber. Wollte ich mir die Dame nicht noch vornehmen? Wollte ich. Aber nicht jetzt. Peel. Ich musste Peel finden. Ich hatte mich von der um mich herrschenden Aufregung anstecken lassen und hektisch lief ich in den Zimmern hin und her, dann hinaus in die Einfahrt. Endlich konnte ich den Hünen in der Nähe einer Hecke ausmachen. Auch er hatte ein Telefon am Ohr und es sah so aus, als hätte er jemanden verdammt Wichtigen in der Leitung. Als er mich auf sich zukommen sah, verzog er das Gesicht zu einer Grimmasse. Ich nickte, wartete und stellte meine Vermutung über seinen Gesprächspartner an. Peel wandte sich ab, sprach weiter und die Neugier brannte mir unter den Nägeln. Endlich drehte er sich zu mir um, sah auf die Tastatur des Handys, und mit einem Stöhnen berichtete er. „Wir haben eine neue Leiche. Gleiches Schema … dieses Mal allerdings mit einem netten Zusatz: Wasserleiche.“ Seine Stimme klang belegt und ich sah ihn mir genauer an. „Hast Du deine Pillen genommen?“, fragte ich, legte die Hand auf seinen Arm und versuchte herauszufinden, wie ich die Lüge, die er mir gleich auftischen würde, als solche enttarnen konnte. „Ich glaube ja“, sagte er. Sein Gesicht war grau und die Wangen eingefallen. Kleine rote Äderchen an den Rändern seiner Augen versetzten mich in Alarmstimmung. Seine Atmung war flach und schnell, so als würde er direkt vor mir aus den berühmten Latschen kippen. „Versuch es erst gar nicht“, warnte ich ihn. Ein schwaches Lächeln huschte über sein kränklich aussehendes Gesicht. „Wir sollten gehen. Die Gerichtsmedizin wartet auf uns am Chelsea Harbour Pier.“ Noch einmal sah ich ihn streng an, was ihn zu einer ebenso unwirschen wie unverständlichen
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