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Rosenpsychosen

Rosenpsychosen

Titel: Rosenpsychosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna-Maria Prinz
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stehe, zu mir stehe und mich entwickle, hat sich sogar von meinem Vater getrennt, der es auch nicht wahrhaben wollte, dass ich eine Niete bin. Mutti auf dem Friedhof, da können Sie nur lachen, ja. Ich nicht. Sie war nämlich die Einzige, die mich nie eine Niete genannt hat, und deswegen bekommt sie jede Woche frische Gerbera. Und auf Sie – auf Sie und Ihr Klavier«, hier begann Herr Herzog abermals zu stottern, »sch-scheiße ich! Auf W-Wiedersehen.«
    Marie stand noch mit halb geöffnetem Mund in der Tür, als Herr Herzog längst auf und davon war. »Wow«, stammelte sie, »hast du das gehört? Das ist ja … das ist doch … unglaublich! Er sch-scheißt auf meinen Steinway … und auf mich. So eine Frechheit. Diese Niete, oder?«
    Martin antwortete nicht.
    Marie drehte sich zu ihm um, aber da, wo er gestanden hatte, war niemand mehr.

4
    Helene und Marie finden in den Schlaf
    Als Helene spät abends ihre Tasse mit heißem Wiesenkräutertee auf dem Nachttisch abstellte und das Licht löschte, war ihr nicht gut. Sie sank auf ihr Kissen und ließ den Tag Revue passieren.
    Moritz hatte in der Schule »La Montanara« vorgespielt, und sie war nicht dabei gewesen. Alle anderen Eltern hatten ihrem Sohn dabei zugesehen, wie er seiner Behinderung trotzte und trompetete wie ein kleiner Gott. Entzückt und gerührt werden sie gewesen sein, auch danach, als Fabian ihm die Trompete und den Ranzen abnahm, um mit ihm nach Hause zu schlendern. Ach, wie süß, werden sie gesagt haben. Guck mal, wie der große Bruder sich um den kleinen Behinderten kümmert. Toll. Der arme Kleine. Solche muss man unterstützen, wo es nur geht.
    Helene hatte Moritz heute nicht unterstützen können. Sie hatte den Vorspieltermin für eine Woche später in ihrem Kalender notiert und hätte gestern Abend, als sie den Irrtum bemerkte, fünf Termine absagen müssen. Den Fascho, die Krebskranke, die Studentin, den Schriftsteller und die Neue. Moritz hatte es, wenn auch enttäuscht, hingenommen, und Fabian hatte maulend sein Fußballtraining abgeschrieben.
    Fabian brauchte neue Fußballschuhe. Am Samstag würden sie einkaufen gehen. Für Moritz das größte Eis, das in der Stadt zu haben war, für Fabian weißblaue Fußballschuhe.
    Herrmann hatte sich für das Wochenende angesagt. Er wollte mit seinen Söhnen etwas unternehmen. Diese Termine notierte Helene nicht mehr. Sie wurden nie eingehalten.
    Die Neue. Fehlte ihr etwas? Sonnenbrille, Villa, enge Jeans. Das hieß alles gar nichts. Aber was störte sie an ihr? Vielleicht das Blond. Sie war heute keine gute Therapeutin gewesen. Wie hatte sie sich hinreißen lassen können, so negativ und so unprofessionell zu sein. Dünne Blonde haben es gut, jaja, was für ein Quatsch! Heli, das war keine reife Leistung. Aber sie ist nun einmal dieser Typ Frau. Und dieses Strahlen. Gefroren hat sie …
    Während irgendwo jemand leise »La Montanara« sang, verflüchtigte sich ein letzter warmer Gedanke an ihre Mutter, die sie im vergangenen Herbst auf der Intensivstation in den Tod gestreichelt hatte.
    Es war vier Uhr morgens, als Marie endlich, nach einer Flasche Pinot Grigio, ins Bett fiel. Martin schlief wie ein Stein. Seit einiger Zeit fiel Marie auf, dass das Schlafzimmer einen unangenehm männlichen Geruch angenommen hatte. Männer über fünfzig konnten wohl zwei- oder dreimal täglich duschen – die Bettwäsche roch trotzdem ein bisschen nach Verwesung. Wir brauchen getrennte Schlafzimmer, entschied sie.
    Sie fragte sich, ob man Psychotherapeuten nachts um vier anrufen und um ein weiteres Gespräch bitten könne. Wenn diese Frau jetzt über ihrem Bett schwebte, würde sie ihr alles sagen. In zwei Minuten hätte sie alles herausgelassen. Sie würde ihr sagen, dass sie nicht von ihr gehasst werden wollte und dass sie es ernst meinte mit dieser Therapie. Wenn man es sagte, wurde es eventuell auch wahr. Aber vielleicht meinte diese Psychofrau es gar nicht ernst. Schließlich war es nur ihr Job. Sie machte einfach ihre Arbeit – wie ein Maurer odereine Friseuse. Warum sollte Marie jemandem, der gerade bei der Arbeit war, etwas über sich erzählen und ihn womöglich damit bei seiner Arbeit stören? Nein, sie wollte niemanden von der Arbeit abhalten. Sie wollte nicht schuld sein an irgendetwas.
    Während sie diesen Tag verließ und ihre Augenlider endlich zu schwer zum Wachbleiben wurden, umzingelten sie etliche pechschwarze Hunsrücker Engel mit Pistolen und Telefonhörern in den Händen und riefen in den Äther,

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