Rosenpsychosen
drei Kinder durchfüttert. Er schämt sich ihrer sogar und leidet unter ihr. So ein Idiot. Aber warum hat er sie nicht längst zum Teufel gejagt? Sie muss irgendein Kunststück beherrschen. Er ist nie darüber hinweggekommen, dass ich ihn verlassenhabe. Logisch. Hat so viel Geld in mich investiert, und dann das! Das schmerzt, jaja.
In die Schweiz könnte ich gehen, überlegte Helene, in eine Privatklinik. Ordentlich Geld verdienen. Gut, ich werde hier und jetzt meinen Job machen. Ich mache ihn gerne, meinen Job.
»Ich werde Ihnen jetzt eine Frage stellen, und Sie versuchen, sie mir zu beantworten. Lassen Sie sich Zeit damit. – Sind Sie traurig?«
Was soll das denn? Du in deinem braunen Kleid hast doch überhaupt keinen blassen Schimmer. Wann hattest du das letzte Mal Sex, und wann hat zuletzt jemand zu dir gesagt, dass du schuld an allem Elend dieser Welt bist? Gar nichts weißt du, und du willst auch nichts wissen. Du hast studiert, bist promoviert, bist so clean und gehst mit einem Korb auf den Markt. Und bestimmt hast du einen Freund, der zwar kein Geld hat, aber unglaublich verständnisvoll ist. Nicht verheiratet, denn du bist ja eine ganz moderne Frau, wow! Keine Kinder, keine Exmänner, keine Konflikte. »Sind Sie traurig?« Das ist ja mal ein grandioser Einfall. Da hast du’s mir aber so richtig gegeben. Und ich sage dir, auch dein Pseudointellektueller würde es am liebsten im Puff so richtig krachen lassen. Traut sich nur nicht, weil er ein elender Laschi ist mit seinem schwarzen Rolli. Und abends trinkt ihr gemütlich zusammen ein gutes Glas Rotwein und lutscht japanische Biocracker. Aber nur ein Glas Rotwein, klar, man will ja schließlich genießen. Und dann macht ihr afrikanische Duftkerzen an. Aber was kann ich dafür? Ist doch nicht meine Schuld, dass du so eine impotente Flasche am Hals hast. »Sind Sie traurig?« Bist du denn traurig? Jedenfalls siehst du ganz schön traurig aus! Und jetzt willst du, dass ich traurig bin. Das kannst du dir abschminken,mir geht’s gold. Ich gucke aus dem Fenster, und dabei bleibt es.
Ich halte dieses Strahlen nicht aus. Gleich schlage ich sie. Halt, Heli, komm zu dir! Du bist vollkommen überlastet und übermüdet. Herrmann ist so ein Versager. Warum heiraten bloß alle Männer am liebsten ihre Mütter? Und wenn sich dann herausstellt, dass man etwas anderes als Mutti zu bieten hat, fangen sie an zu weinen und fühlen sich nicht mehr geborgen. Geborgenheit und Flüsterton im Bett. Unerträglich. Will mal wissen, wie es mit seiner Neuen ist. Ich sollte sie warnen. Dass sie bloß nicht seinen Hasen aus dem Bett verbannt, sonst weint Herrmann und fühlt sich nicht angenommen. Vielleicht brauche ich ja eine Psychotherapie, ha! Was hatte ich noch gefragt? Ach so, ob sie traurig ist. Standardfrage. Gute Frage. Klar ist sie traurig, aber sie wird es nicht zugeben. Womit wir schon mal geklärt hätten, dass sie traurig ist.
»Sind Sie traurig?«
Ja doch, ich habe die Frage verstanden, bin ja nicht taub!
»Na ja – nein, ich glaube nicht. Warum? Ich meine, mir geht’s ja nicht schlecht. Nö, traurig, also wissen Sie, eigentlich geht es mir bestens. Außer dass der Nagellack von meinem großen Zeh abgeblättert ist. Das stört mich. Ich würde normalerweise nie so aus dem Haus gehen. Dass mir das erst jetzt auffällt … Roter Nagellack, der abblättert, ist das Schlimmste. Sehen Sie einfach nicht hin. Aber, nun ja, es ist auch nicht so schlimm. Gibt sicher Schlimmeres auf der Welt. Ich werde das sofort ausbessern, wenn ich zu Hause bin.«
Ja, das wirst du.
»Eigentlich? Es geht Ihnen eigentlich bestens?«
Das geht jetzt schon seit Wochen so mit dieser Hitze. Waldbrandstufe drei. Wie sie wohl diese Stufen festlegen? Dieser Kloß im Hals. Ich muss nur schlucken und die Augen aufreißen, dann geht er wieder weg. Man darf die Kippen nicht mehr aus dem Autofenster werfen bei Waldbrandstufe drei. Ja, eigentlich. Und jetzt weißt du auch nicht weiter. Ich muss ihr irgendetwas hinwerfen, mit dem sie was anfangen kann. Sie macht hier ihre Arbeit. Eine Viertelstunde noch, dann setze ich mich in die Sonne und trinke einen Cocktail. Ich könnte sie ja fragen, ob sie mitkommt. Ich glaube, sie ist total nett.
»Ich bin manchmal nervös, wenn das das richtige Wort ist. Ich weiß nicht so genau. Ich möchte auch nichts Falsches sagen. Also, vielleicht ist es auch keine Nervosität, sondern eher so eine Art … Ich weiß nicht. Ich schlafe schlecht.«
Ich schlafe schlecht.
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