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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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Nacken fallen. »Ach, egal«, sagte sie resigniert.
    Rose klopfte sich die Crackerkrümel von den Händen.
    »Sei nicht sauer. Ich frag ja nur. Dann hol mal Papier, ja?« Sie nahm den Stift, der auf dem Küchentisch lag. »Übrigens hatte ich letzte Nacht einen ziemlich interessanten Traum.«
    Charlotte rannte in ihr Zimmer, während Rose und ich schweigend am Küchentisch sitzen blieben. Sie stützte den Ellbogen auf die Tischkante und drückte den Kugelschreiber raus und rein. Klick-klick. Klick-klick. Ihr nervöser Daumen verriet mir, dass sie eigentlich dringend ihre Träume aufschreiben wollte.
    Charlotte kehrte mit linierten Blättern für jede von uns zurück, aber als es losging, war Rose die Einzige, die etwas schrieb. Ich ummalte das mittlere Ringbuchloch meines Blattes, sodass es zu einer strahlenden Sonne wurde, und Charlotte sah Rose zu, die rasch mehrere Reihen mit runden Buchstaben füllte. Dann blickte sie von ihrem Zettel auf.
    »Fertig«, sagte sie und schob das Blatt über den Tisch zu Charlotte. Ich guckte Charlotte über die Schulter und las mit.
    Ich war in der Turnhalle, und Mrs. Powers ließ uns auf den ekligen alten Turnmatten einen Kopfstand nach dem anderen machen. Als sie nicht hinsah, weil sie gerade jemand anders aufs Korn nahm, hockte ich mich hin und krabbelte an den Mattenrand. Ich zog das eine Ende hoch, als wäre die Matte einer von diesen Plastikschlitten, und da sauste sie los. Zuerst fuhr die Matte durch die ganze Turnhalle, und dann, nach einer Weile, hob sie ab. Auf einmal war meine Turnmatte ein fliegender Teppich, und ich schwebte aus der Halle raus und weg von der Schule. Bald war ich so weit oben, dass ich den Boden nicht mehr sehen konnte. Ich weiß nicht genau, wo ich war, aber ich erkannte, dass es ziemlich weit weg von Waverly sein musste.
    »Ein Flugtraum!« Charlotte schnappte sich ihr Buch und blätterte aufgeregt darin. »Über Flugträume steht hier was. Ich hab noch nie vom Fliegen geträumt. Du, Nora?«
    »Nein«, antwortete ich. »Nur vom Fallen.«
    »Hier ist es! Warte mal ... hm ... tja, hier steht, dass oft Leute vom Fliegen träumen, die ›gezwungen sind, Unglück zu ertragen‹. Leute, die sich befreien wollen.«
    Rose entriss Charlotte das Buch. »Was für ein Scheiß!«
    Charlotte runzelte die Stirn. »Das sagt man nicht.«
    »Entschuldige. Ich wollte bloß sagen, dass das Blödsinn ist, okay?«
    »Okay«, murmelte Charlotte angesäuert und überlegte. Einen Moment später fragte sie: »Bist du durch die Decke der Turnhalle geschossen?«
    In diesem Augenblick schwang die Küchentür nach innenauf, und Paul – Charlottes großer Bruder – kam herein. Er war zu früh vom Fußballtraining zurück und sah verschwitzt aus.
    »Hey«, grüßte er, setzte sich uneingeladen zu uns und nahm sich eine Banane aus der Obstschale auf dem Tisch.
    »Hey«, erwiderte Rose.
    »Hi«, grüßte ich leise zurück. Charlotte beachtete ihn gar nicht.
    »Nein«, antwortete Rose ihr. »Plötzlich befand ich mich darüber. Du weißt ja, wie manchmal Sachen in Träumen von selbst passieren, oder?«
    »Ja«, bestätigte Charlotte, die noch einmal las, was Rose aufgeschrieben hatte. »Und das ist alles, woran du dich erinnerst?«
    »Danach ist alles durcheinander.«
    Mit einem wissenden Nicken nahm Charlotte ihr das Buch wieder weg.
    »Was macht ihr gerade?«, fragte Paul, während er seine Banane schälte.
    »Traumdeutung«, sagte Charlotte und wandte sich wieder Rose zu.
    »Du musst mal die Seite lesen«, meinte sie und blätterte zu der markierten Stelle. »Da steht, wie man besser wird. Am besten schreibt man die Träume gleich nach dem Wachwerden auf. Leg dir einen Stift und Papier neben das Bett. Und du darfst nicht versuchen, sie so hinzudrehen, dass sie einen Sinn ergeben. Schreib nur genau das auf, woran du dich erinnerst.«
    Rose nahm wieder das Buch, zog eine Braue hoch und sah über Charlottes Kopf hinweg zu Paul. Die beiden schmunzelten, weil Charlotte so ernst tat. Rose und Paul waren so etwas wie Freunde, denn Rose ging mit Aaron, einem Jungen aus Pauls Fußballteam. Charlotte zufolge sah Aaron richtig gutaus, und sie wollte dauernd, dass Rose über ihn redete – darüber, wie es war, ihn zu küssen.
    »Ich sehe es mir mal an«, versprach Rose, deren Blick auf unsere leeren Blätter fiel. »Aber ihr müsst jetzt auch was aufschreiben.«
    Ich vergrößerte das Ringbuchloch, während ich auf die leeren Linien schaute und versuchte, nicht auf die Schmatzlaute zu

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