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Rot und Schwarz

Titel: Rot und Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Bauten, obendrein aber ein Gegenstand der Bewunderung, weil gewisse kleine Parzellen des Gartens bei ihrer Erwerbung buchstäblich mit Gold aufgewogen worden waren. So lag zum Beispiel die Sägemühle, die einem am Eingang von Verrières durch ihre Lage am Doubsufer und durch die am Dache angebrachte Firma mit dem Namen SOREL in Riesenlettern auffällt, noch vor sechs Jahren an der Stelle, wo man zur Zeit die Mauer der vierten Rênalschen Gartenterrasse aufführt. Der Bürgermeister hat bei all seinem Hochmut manchen Gang zum alten Sorel machen müssen, einem dickköpfigen groben Bauern, und ihm reichliche Goldfüchse auf den Tisch gezählt, ehe er die Verlegung der Mühle erreichte. Dazu mußte er in Paris seinen ganzen Einfluß aufbieten, bis er die Genehmigung zur Ableitung des öffentlichen Baches bekam, der die Mühle trieb. Dieser Gnadenbeweis ward ihm nach den Wahlen von 182* zuteil.
    Sorel erhielt fünfhundert Schritt abwärts am Doubs vier Morgen Land für einen. Und obgleich der neue Platz für seinen Bretterhandel weit günstiger war, so verstand es Vater Sorel – wie er jetzt in seiner Wohlhabenheit allgemein hieß – doch, seinem ungeduldigen und gebietshungrigen Nachbarn überdies sechstausend Franken abzuknöpfen. Dieses Abkommen wurde von den durchtriebenen Spießbürgern viel bekrittelt. Und einmal, an einem Sonntag (es ist jetzt vier Jahre her), da begegnete Herr von Rênal, als er im Bürgermeisterstaat aus der Kirche kam, dem alten Sorel samt seinen drei Söhnen und merkte von weitem, wie der Alte, seiner ansichtig, lächelte. Bei diesem Lächeln ging dem Bürgermeister eine Erleuchtung auf. Seitdem meint er, den Tausch hätte er billiger haben können.

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Zweites Kapitel
Ein Bürgermeister
Gewichtiges Auftreten! Ist das etwa nichts? Hohlköpfen flößt es Respekt ein, Kinder staunen es an, die Reichen beneiden einen, und der Weise hat nur Verachtung dafür übrig.
    Barnave
    D as Glück stand Herrn von Rênal auch in seiner Eigenschaft als Bürgermeister zur Seite. Die Stadtpromenade, die sich mehr als dreißig Meter hoch über dem Flußbett am Berghange hinzieht, bedurfte einer mächtigen Untermauer. Dank ihrer wunderbaren Lage ist sie einer der malerischsten Aussichtspunkte Frankreichs. Aber jedes Frühjahr überfluteten die Bergwässer den Weg, rissen tiefe Furchen auf und machten ihn ungangbar. Dieser allgemein beklagte Übelstand versetzte Herrn von Rênal in die angenehme Notwendigkeit, seine Amtszeit durch ein Mauerwerk von sechseinhalb Meter Höhe und sechzig bis siebzig Meter Länge zu verewigen.
    Das Stadtoberhaupt mußte drei Reisen nach Paris unternehmen, denn der vorige Minister des Innern war der erklärte Todfeind der Promenade von Verrières. Jetzt ist die Mauer mit ihrer mehrere Fuß hohen Brüstung bald fertig. Sie wird mit grauen, ins Bläuliche spielenden Steinplatten belegt, an die man sich gern lehnt, um den Blick in das Doubstal zu genießen. Drüben, auf dem andern Ufer, öffnen sich fünf oder sechs Täler, in deren geschlängelten Gründen Bäche glitzern, die immer wieder kleine Wasserfälle bilden, bis sie schließlich in den Doubs laufen. Die Sonne brennt heiß in diesem Berglande. Wenn sie im Zenit steht, muß sich der verträumte Wandrer unter die prächtigen Platanen der Stadtpromenade retten. Diese Bäume verdanken ihr üppiges Gedeihen und ihr schönes Blaugrün ebenfalls dem Herrn Bürgermeister, der beim Bau seiner großen Mauer die Promenade durch Erdanschüttungen um gut zwei Meter hat verbreitern lassen, ungeachtet aller Einreden des Stadtrates.
    An besagter Stadtpromenade, dem Cours de la Fidélité (zu deutsch: Allee der Treue) – man liest diese patriotische Bezeichnung auf Marmortäfelchen an fünfzehn bis zwanzig Stellen, was Herrn von Rênal einen Orden mehr eingetragen hat – ist nur eines auszusetzen: die barbarische Art, mit der die hohe Obrigkeit die üppig wachsenden Platanen immer wieder stutzen läßt. Geschoren sehen sie mit ihren kugeligen nackten Schädeln wie gemeine Kohlköpfe aus, während sie viel lieber die herrlichen vollen Formen ihrer Schwestern drüben in England hätten. Aber der Wille des Herrn Bürgermeisters ist höchstes Gesetz, und sämtliche Bäume im Stadtgebiet werden alljährlich zweimal erbarmungslos verschnitten. Die Liberalen im Orte behaupten sogar (aber sie übertreiben), daß die Schere des Stadtgärtners noch unerbittlicher geworden sei, seitdem sich der Vikar Maslon den Ertrag der Baumschur anzueignen

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