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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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Eingangsbereich wirkte das Gebäude verlassen. Mit dem Romanmanuskript in einer Papiertasche blieb Albin stehen und holte tief Luft. »Unter der Regierung seiner kaiserlichen und königlichen apostolischen Majestät Franz Josef I. erbaut 1902 bis 1904«, stand unter dem Deckengewölbe.
    Im ersten Stock hielt er vor einer schwarzen Tafel mit Wörtern aus weißen Steckbuchstaben: Kriminaldirektion eins, Referat Kapitalverbrechen. Er war richtig und folgte einem Gang entlang einer Reihe grauer Holztüren und Fenster, die zu tristen Lichtschächten führten. Bergmanns Tür war ebenfalls grau; links von ihr hing ein Plakat mit den Dienstabzeichen und Emblemen der Justizwache, rechts stand eine Grünlilie auf einem niedrigen Schemel und gegenüber war die Klotür. Ein Wunder, dass der Chefinspektor dieses Gebäude so ungern verlässt, dachte Albin. Sogar die Jugendstrafanstalt war vergleichsweise freundlich eingerichtet gewesen.
    »Kommen Sie herein«, brummte Bergmann, als Albin klopfte.
    »Ich bin etwas zu früh.« Albin betrachtete die Wasserflecke eingegangener Topfpflanzen im grauen Teppich. Sie sahen aus wie hingepinkelt. »Ich hatte gehofft, dass Sie schon da sind«, sagte er.
    Auf Bergmanns Schreibtisch standen vier Tassen. Offenbar hatte der Chefinspektor ausgiebig seiner Art von Lust gefrönt: der Beziehung zu erkaltendem Tee. »Nehmen Sie Platz und warten Sie«, sagte er zu Albin. Er wies auf eine geblümte Sitzgruppe, die Albins Meinung nach selbst im Altmöbellager der Caritas unverkäuflich gewesen wäre.
    Albin setzte sich. Was für ein Leben, dachte Albin. Wahrscheinlich merkte der Chefinspektor längst nicht mehr, in was für einem Kabuff er arbeitete. Der Mann verdiente nach Beamten-Tarif inklusive Überstunden zweitausendzweihundert Euro netto, hatte als einzige Zukunftsaussicht die Pension und musste mit abgerissenen Hemdknöpfen herumlaufen, wenn er mit seiner Frau Streit hatte.
    »Quod non est in actis, non est in mundo«, seufzte Bergmann nach fünf Minuten zufrieden. Ein heller Ton erklang, als er die Akte, an der er eben am Computer gearbeitet hatte, schloss. »Was nicht in den Akten steht, existiert nicht«, übersetzte er, als er sich zu Albin setzte.
    Der nickte, als hätte er das gleich verstanden. »Was berichten meine Leibwächter?«, fragte Albin.
    »Nur Gutes.«
    Albin nahm das Manuskript aus der Papiertasche und legte es auf den Tisch. »Das wollte mir Zimmermann vor seinem Tod geben.«
    Bergmann strich mit dem Daumen über die Seiten. »Wer ist diese Klara Kalth?«
    »Ein Pseudonym.«
    »Warum geben Sie mir das Manuskript? Wenn es nichts für Ihre Berichterstattung abwirft, bringt es mich auch nicht weiter.«
    »Ich habe eine Kopie.«
    »Ich hasse Kriminalromane«, sagte Bergmann und schob den Packen zur Seite.
    »So informativ wie mein Gespräch mit Ralf Stern ist es auf jeden Fall«, sagte Albin. »Vielen Dank für die Vermittlung.“
    »Mir hat der Mann auch nichts gesagt«, brummte der Chefinspektor. »Ich bin noch nicht fertig mit ihm.«
    Er legte ein Diktiergerät auf den Tisch, lehnte sich im Sessel zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Sind Sie so weit?«
    »Nein.«
    »Gut. Dann fangen wir an.«
    Bergmann stellte ihm Dutzende Fragen über Zimmer mann, das Feuer in Hietzing und die Nachrichten auf seinem Handy. Albin hätte beim besten Willen nicht lügen können. Angesichts der monotonen Stimme des Chefinspektors und der immer wiederkehrenden Fragen hätte er sich garantiert in Widersprüche verwickelt.
    Erst nach mehr als einer Stunde schaltete Bergmann das Band ab. »Ich muss Ihre Freundin noch einmal sprechen«, sagte er. »Ich besitze nur das Protokoll vom Gendarmerieposten.«
    »Mehr als damals weiß sie nicht.«
    »Die Sache läuft jetzt mit maximalem Aufwand. Die Augen der Öffentlichkeit und des Justizministers ruhen auf mir. Mir sind Mörder lieber, die ihre Opfer in aller Heimlichkeit aufschlitzen, statt absichtlich für Wirbel zu sorgen.«
    Er schien das tatsächlich als eine Art Verrat zu betrachten.
    Albin lehnte sich ebenfalls zurück. »Wissen Sie inzwischen Näheres über Olga Dada?«
    »Nein.«
    »Sie sind unfair.« Albin deutete auf das Aufnahmegerät. »Ich hätte auch auf dem Redaktionsgeheimnis beharren können.«
    »Sie haben mir nichts gesagt, was ich nicht schon wusste.«
    »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Sie sagen mir nichts von dem, was Sie wissen.«
    Bergmann schmunzelte. »Auch eine Betrachtungsweise.«
    Schließlich zog der

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