Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
Vom Netzwerk:
zur Triester Straße schaffen. Vielleicht lag das bloß am geflickten Dach. Albin wollte nicht darüber nachdenken. Sonst hätte er es sich vielleicht doch noch anders überlegt.
    Sarah trat aus der Dunkelheit des Studios neben ihn. »Was beschäftigt dich?«
    »Kann ich dich heute Nacht hier allein lassen?«
    »Was hast du vor?«
    »Die Polizei vermutet, dass sich Markovics und Olga Dacia zuletzt in Kroatien aufgehalten haben. Die Behörden brauchen noch eine Weile, bis sie dort ermitteln können. Ich möchte hinfahren.«
    »Heute noch?«
    Albin stopfte schon Jeans, zwei Paar Socken, zwei T-Shirts, zwei Hemden, einen dicken Pullover und eine Regenjacke in eine Nylontasche. »Je früher, desto besser.«
    »Ich kenne Kroatien«, sagte Sarah. »Ich mag die Eichenwälder.«
    Albin war froh, dass sie nicht protestierte. Das gab ihm Kraft für die Reise. »Ich muss zum Meer. Angeblich waren die beiden auf einer Insel.«
    »Als ich ein Kind war, sind wir in den Kornaten mit dem Segelboot auf einer Sandbank aufgelaufen. Zwischen den Inseln gibt es viele Untiefen. Wir mussten teuer bezahlen, um von den Einheimischen geborgen zu werden. Das ist dort ein richtiger Erwerbszweig.«
    »Nette Leute also.«
    »Sie müssen auch leben.«
    »Die Insel heißt Rumin. In zwölf Stunden bin ich dort. Montag früh komme ich zurück.«
    »Ich warte hier auf dich.«
    Albin packte sein Handy-Ladegerät und einen aufgeladenen Reserve-Akku ein. »Arko wird enttäuscht sein«, sagte er.
    »Er wartet auch auf dich.«
    »Irgendwie muss ich die Polizei abschütteln.«
    Sie fuhren mit dem Wagen zum Westbahnhof. Dort betraten sie den kleinen Lebensmittelmarkt. Sie kauften zwei Flaschen Sekt. Es sollte so aussehen, als planten sie einen entspannten Abend zu zweit. »Die Bullen halten uns garantiert für ein Liebespaar«, sagte Sarah. »Jetzt hängen wir sie einfach ab.«
    »Das Wort Bullen passt nicht zu dir. Abhängen auch nicht.«
    »Ich finde das aufregend.«
    »Es ist aber nicht aufregend.«
    »Komm schon.«
    Der Sinn der Übung war, den Wagen abseits des Fitnessstudios zu parken. Albins Beschatter sollten den Hauseingang und das Auto nicht gleichzeitig im Auge behalten können. Sie stellten den 2 CV ans untere Ende des Esterházy-Parks in den Schatten eines mächtigen Flakturms aus dem Zweiten Weltkrieg. Zu Fuß gingen sie zurück, lachend und scherzend, als hätten sie an diesem Abend nur noch ihr Vergnügen im Sinn. Sie gingen nach oben, machten Licht und zeigten sich zu zweit am Fenster. Danach schalteten sie fast alle Lampen aus und zündeten eine Kerze an. »So stellen sich Polizisten wohl den romantischen Abend eines Liebespaares vor«, sagte Albin.
    »Wie stellst du ihn dir vor?«
    Albin sah sich um. Die Geräte glänzten jetzt, obwohl sie in Wirklichkeit schon verstaubten. Die Räume sahen geheimnisvoll aus, und die Kerze leuchtete eine Höhle in die Dunkelheit. »So ähnlich«, sagte er.
    Er berührte Sarah beim Abschied nicht. In so einem Moment hätte das unberechenbare Folgen haben können. Mit seiner Tasche stahl er sich über die Feuermauer zwischen den Hinterhöfen davon.
    »Du musst eine Weile durchhalten«, sagte er beim Einsteigen zu seinem 2 CV. Der schien sich seiner Verantwortung bewusst zu sein und sprang sofort an.
    Auf der Südautobahn trat Albin das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Im Typenschein waren 110 Stundenkilometer als Höchstgeschwindigkeit angegeben, tatsächlich schaffte die Ente je nach Steigung und Windrichtung 70 bis 135. Das allerdings bei enormer Belastung für Mensch und Maschine: Den Semmering hinauf drohte der Motor zu platzen. Auf der anderen Seite hinunter klang der Wagen, als würde gleich ein Rad wegfliegen.
    Auf der Höhe der steirischen Stadt Güssing riss Albin beim Einschalten des Radios den Drehknopf ab. Die ganze Strecke bis zur slowenischen Grenze trällerte er selbst Lieder von Joan Baez, die ihm Sarah manchmal vorsang: » Catch the wind«, »I am a poor wayfaring stranger«, »Sing me back home « und »Heaven helps us all«.
    Er sang, bis er die Lieder auch dann zu hören meinte, wenn er gerade eine Pause einlegte. Beim Singen dachte er an Agaven, Eukalyptus- und Feigenbäume und stellte sich sein Vorhaben auf Rumin wie einen Spaziergang vor.
    Der Grenzübergang brachte Abwechslung in die eintönige Fahrt durch die Röhre, die das Licht der Scheinwerfer vor ihm grub. Der österreichische Beamte betrachtete seinen Wagen mit einer gewissen Freundlichkeit. Er wies mit Albins Pass in Richtung

Weitere Kostenlose Bücher