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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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Zeit?«
    »Ich muss nur noch zahlen.«
    »Kennen Sie die Buchhandlung Roth?«
    »Diesen uralten Laden hier in der Mariahilfer Straße?«
    »Wir treffen uns im Nebenhaus, stadteinwärts gesehen, in zehn Minuten. Fahren Sie mit dem Aufzug ins Dachgeschoss.«
    »Hört sich gut an.«
    »Ist es auch.«
    Sarah kam nicht mit. Sie wollte lieber Einkäufe erledigen. Albin ging das kurze Stück zu Fuß. Gering wartete im obersten Stock eines stattlichen Hauses mit renovierter Gründerzeit-Fassade auf ihn. Er lehnte an einer polierten Metalltür mit der Aufschrift »Club Menuette« und bot Albin einen Müsliriegel an. »Der ist gut für die Verdauung, und Verdauung macht den Körper leichter.«
    Albin lehnte ab. »Mein Frühstück war üppig.«
    Gering hatte mit dem Haus getan, was er jetzt auch an Albins derzeitiger Adresse vorhatte: Mit Hilfe eines Immobilienfonds hatte er alle Altmieter herausgekauft, das Gebäude gründlich renoviert und neu vermietet. Allerdings war der Mieter für das Dachgeschoss im letzten Moment ausgefallen. »Ein Kunde aus Litauen wollte hier einen Klub eröffnen«, sagte Gering.
    »Was für einen Klub?«
    »Einen unanständigen«, sagte Gering und führte ihn schmunzelnd durch die Räume.
    Es gab eine Bar mit weißem Marmorboden, Bambusmöbeln, reich bestückten Flaschengalerien und mächtigen Palmen unter Dachfenstern, durch deren Glas der bewölkte Himmel zu sehen war. Gleich dahinter lag eine Kammer mit einem zwölf Quadratmeter großen Bett und Fenstern für Voyeure. »Wenn Sie wollen, können Sie hier mit Ihrer Freundin für eine Weile absteigen«, bot Gering an. »Haben Sie denn eine Freundin?«
    »Was verstehen Sie unter einer Freundin?«
    »Eine junge Dame, mit der Sie regelmäßig vögeln und zwischendurch über das Leben sprechen.«
    »Dann habe ich keine Freundin.«
    »Es kann aber nicht schaden, zwischendurch über das Leben zu reden.«
    Gering verschlang einen weiteren Müsliriegel.
    »Was ist aus Ihrem Mieter geworden?«, fragte Albin.
    »Er wurde in Litauen erschossen. Ich hatte gleich ein schlechtes Gefühl bei dem Mann. Deshalb habe ich die Miete für zwei Jahre im Voraus kassiert. Jetzt warte ich ein Jahr, ob Rückforderungen kommen. Dann vermiete ich die Fläche neu.«
    Albin zeigte auf einen gynäkologischen Stuhl in einer authentischen Arztpraxis. »Soll ich als Gegenleistung den hier verkaufen?«
    »Keine Gegenleistung diesmal. Schreiben Sie nach meinem Tod einen Nachruf über mich. Schreiben Sie, Wolfgang Gering war ein ganzer Kerl.«
    Albin zögerte.
    »Keine Sorge«, grinste Gering. »Ich weiß, dass ich nicht der Bundespräsident bin. Sie können bleiben, bis ich einen neuen Mieter gefunden habe. Ich verliere dabei nichts und es bringt mir nichts. Ich erlaube mir solche Späße seit meinem zweiten Herzinfarkt.«
    Sie fuhren zur Straße hinunter. Gering wuchtete sich in seinen dunkelblauen Jeep und reihte sich in den dichten Verkehr ein. Am Vorabend war Albin angesichts der dritten Leiche in Serie noch sicher gewesen, dass sein Leben endgültig einer bestimmten Qualität von Ruhe beraubt war. Jetzt kam schon wieder die gewohnte Leichtigkeit zurück. Waren das die Folgen der Routine?
    Er kam gleichzeitig mit Sarah beim Fitnessstudio an: zwei Stücke Treibholz, die im selben Augenblick vom Menschenstrom der Straße ausgespien wurden und auf einer Sandbank landeten. »Wie war das Angebot?«, fragte Sarah.
    »Klubräume«, sagte Albin ausweichend.
    »Was für ein Klub?«
    »Er war noch gar nicht eingeweiht. Teilweise ist es recht gemütlich.«
    Als sie das Studio betraten, war Sarah schon wieder bei einem anderen Thema. »Hast du im Gesellschaftsteil des Merkur den Artikel über Ralf Stern gelesen?«
    Gähnend schlug Albin die Zeitung auf, während sich Sarah auf eine rote Matte für Dehnungsübungen legte. Er betrachtete das im Hotel Stadtpark aufgenommene Bild von Stern und las den ersten Absatz: »Was tut ein Werbeguru, genialer Kunstavantgardist und geschickter Geschäftemacher, der aussteigen will? Genau, er sagt nur noch einen einzigen Satz und verkauft den möglichst teuer an einen internationalen Multi. Was tut er, wenn sein Vertrag ausläuft und sein Bankkonto prall gefüllt ist? Genau: Er widmet seinen nächsten Satz einem guten Zweck …«
    Albin legte das Blatt weg. »Stern ist nicht gut getroffen«, sagte er zu Sarah. »Ich halte ihn weder für einen Werbeguru noch für einen Kunstavantgardisten noch für einen Geschäftemacher. Die meisten Menschen haben in

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