Rote Sonne über Darkover - 5
sondern eine Burg, die beinahe so stark war wie El Haleine. Darriel spähte an ihr empor, und er empfand unfreiwillige Bewunderung, denn die Männer, die sie verfolgten, beugten sich nicht leicht dem Willen eines anderen. Wie mochte der feindliche Anführer sie dazu gebracht haben, derartige Verteidigungsanlagen zu bauen? Er erinnerte sich an den wintrigen Blick, den er in seiner Vision gesehen hatte und vermutete, daß er sie durch Furcht regierte.
Diese Nacht verbrachten die Männer vom Valeron in einem kalten Lager, das sie auf dem Hang hinter der Festung in einer Mulde angelegt hatten. Der Wind wehte Bratenduft zu ihnen herüber. In der Festung schmausten die Räuber vor einem helllodernden Feuer das Fleisch von gestohlenen Chervines. Im Wald froren ihre Verfolger und kauten gedörrtes Korn.
»Diese Mauern sind stark, aber sie bestehen nur aus Holz«, bemerkte Ewan. »Wir könnten Buschwerk um sie aufstapeln und sie anzünden …«
Robard antwortete mit einem kurzen Auflachen. »Und was meinst du wohl, würden die Wachen tun? Hast du die Männer in Pelzmützen nicht gesehen, die um den Rand der Palisaden wandern?«
»Aber nachts …«, protestierte der Jüngere.
»In El Haleine stellen wir nachts Posten auf«, sagte Darriel. »Nach dem, was wir bisher gesehen haben, muß dieser Rannarl als Befehlshaber gut genug sein, um es ebenso zu machen.«
Ewan murmelte etwas Unanständiges.
»Ja, aber ein listiger«, stellte Robard trocken fest. »Wir dürfen ihn nicht unterschätzen.«
»Wir könnten warten, bis sie fortreiten, und die Festung hinter ihnen niederbrennen«, schlug Ewan vor.
»Warum sollten sie fortreiten?« fragte Mikhael. »Von dem, was sie aus Crawfields mitgenommen haben, können sie bis zum Frühling leben.«
»Es liegt Schnee in der Luft«, setzte einer der anderen Männer hinzu. »Wir würden gut daran tun, nach Hause zu kommen, bevor die Wege zu sind.«
»Wenn wir sie nicht bald zum Kampf stellen können, müssen wir umkehren. Wenigstens wissen wir jetzt, wo sie ihren Bau haben«, bemerkte Darriel.
»Ja«, stimmte Robard zu. »Aber mir dreht sich der Magen um, wenn ich sie im Hochgefühl über die leichte Beute, die sie am Valeron gemacht haben, zurücklassen soll.«
Darriel nickte. Auch in ihm empörte sich alles bei diesem Gedanken.
»Wenn wir nicht von außen eindringen können, ist es dann vielleicht möglich, die Burg von innen zu öffnen?« unterbrach Dominics erregte Stimme die Stille.
»Was meinst du?« fragte Robard, aber in Darriels Geist schwang das massive Tor bereits auf, noch bevor Dominic antwortete.
»Wenn ein Mann sich als Flüchtling ausgäbe, der bei Rannarl in Dienst treten möchte, würden sie ihn vielleicht einlassen. Er könnte nachts hinuntersteigen und das Tor öffnen …«
Eine heftige Diskussion brach in dem Kreis los. Würden solche Männer einen Freiwilligen annehmen? Wie sollte Rannarl sonst seine Bande zusammenbekommen? Wenn die Geschichte gut genug war … Aber würden sie sich nicht wundern, daß der Mann sie hier aufgespürt hatte?
»Gerade wegen dieser Fähigkeit nähmen sie ihn!« rief Dominic aus. »Und da er nun einmal weiß, wo sie stecken, werden sie ihn nicht wieder gehen lassen.«
»Sie könnten ihn einfach töten«, wandte Mikhael ein.
»Wenn ihr Angst habt …«, sagte der Junge. »Ich werde gehen!«
Mikhael wollte auffahren, aber Robard legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm.
»Wer genug Verstand hat, einen solchen Plan auszuführen, hat auch genug Verstand, sich zu fürchten!« erklärte Robard streng.
»Aber es war meine Idee!« beschwerte sich Dominic, und Darriel durchfuhr ein stechender Schmerz.
»Es ist noch Zeit genug, nach Freiwilligen zu fragen, wenn wir uns für einen Plan entschieden haben«, unterbrach Robard. Er wandte den Kopf, und Darriel merkte, daß sie ihn jetzt alle ansahen.
»Ich werde kein Menschenleben dafür aufs Spiel setzen, solange es noch einen anderen Weg gibt.« Darriel sah sich im Kreis der Gesichter um, die nichts als undeutliche Flecken in der Finsternis waren.
Seine anderen Sinne leisteten ihm bessere Dienste. Er spürte Robards zuverlässige Unterstützung, Dominics Aufregung, Mikhaels abflauenden Ärger und eine Flut gemischter Emotionen von den anderen Männern. Die Diskussion ging weiter, aber an jedem Vorschlag gab es etwas auszusetzen, und schließlich stand fest, das der einzige Plan, der überhaupt eine Chance hatte, der des jungen Allart war.
»Es wird klappen - ich weiß es!«
Weitere Kostenlose Bücher