Roter Engel
der Doktor.«
Sie starrte in sein maskiertes Gesicht und fragte sich, was sich wohl hinter dem rechteckigen Schutz über Mund und Nase verbarg. Zweifellos ein ganz gewöhnlicher Mann. Sie waren alle so gewöhnlich. Es waren ihre Phantasien, die sie abstießen.
Die ihr angst machten.
Zögernd hob sie die Beine und legte sie in die Halterung.
Er klappte das untere Ende des Untersuchungstischs über ein Scharnier nach unten. Sie lag jetzt mit weit gespreizten Schenkeln, und ihr Po hing praktisch über der Kante des Tischs. Sie bot sich Männern immer dar. Doch in dieser Lage fühlte sie sich schrecklich verwundbar. Dieses helle Licht, das ihr zwischen die Beine leuchtete. Ihre totale Nacktheit auf dem gynäkologischen Stuhl. Und der Mann, dessen Blick mit klinischem Gleichmut auf ihre intimsten Körperteile gerichtet war.
Er band einen Kunstfaserriemen um ihr Fußgelenk.
»Hey«, sagte sie. »Ich mag nicht angebunden werden.«
»Aber ich mag es«, murmelte er und band ihr den anderen Riemen um. »Mir gefallen meine Mädchen so.«
Sie zuckte zusammen, als seine behandschuhten Finger in sie eindrangen. Er beugte sich über sie, und vor Konzentration wurden seine Augen schmaler, während seine Finger tiefer drangen. Sie schloß die Augen und versuchte, an etwas anderes zu denken als an das, was da zwischen ihren Beinen passierte. Aber was sie spürte, machte es ihr schwer, alles einfach zu ignorieren. Wie ein Nagetier, das sich tief in sie vergrub. Eine Hand hielt er auf ihren Bauch gepreßt, und die Finger der anderen bewegten sich in ihr.
Irgendwie verletzte sie das mehr als jeder ordinäre Fick, und sie wünschte sich, es wäre aus und vorbei.
Törnt dich das an, du Widerling?
dachte sie.
Steht er dir? Wann geht es weiter?
Er zog die Hand zurück. Erleichtert atmete sie auf. Sie öffnete die Augen. Er sah sie gar nicht mehr an. Sein Blick fixierte statt dessen etwas außerhalb ihres Sichtbereichs. Er nickte.
Erst da merkte sie, daß noch jemand im Zimmer war. Jemand preßte ihr eine Gummimaske auf Mund und Nase. Sie wollte sich wegdrehen, aber ihr Kopf wurde gewaltsam niedergedrückt. Sie griff mit den Händen zum Gesicht und zerrte wütend an der Narkosemaske. Sofort wurden ihre Hände weggerissen und an den Gelenken festgebunden. Ein beißender Gasgeruch stieg ihr in die Nase und kratzte im Hals. Sie mußte krampfhaft husten, bäumte sich auf, aber sie wurde die Maske nicht los. Sie mußte wieder einatmen. Ihre Glieder verloren alles Gefühl. Das Licht schien schwächer zu werden. Aus dem hellen Weiß wurde ein mattes Grau.
Dann Schwarz.
Sie hörte eine Stimme. »Nimm jetzt das Blut ab.«
Doch sie verstand nicht mehr, was das bedeutete. Überhaupt nicht.
»Mann, o Mann, was für eine Sauerei.«
Das war Romys Stimme – soviel begriff sie. Ansonsten begriff sie nichts. Wußte nicht, wo sie war. Wo sie gewesen war.
Warum ihr der Kopf weh tat und die Kehle sich so trocken anfühlte.
»Na, komm, Molly Wolly. Mach die Augen auf.«
Sie stöhnte. Selbst dies genügte schon, daß ihr der Kopf dröhnte.
»Mach deine verdammten Augen auf, Molly. Du verstinkst das ganze Zimmer.«
Sie rollte sich auf den Rücken. Das Licht schimmerte blutrot durch ihre Augenlider. Mit Mühe bekam sie sie auf und sah in Romys Gesicht.
Er starrte sie angewidert aus seinen dunklen Augen an. Sein schwarzes Haar klebte am Kopf und glänzte von Pomade. Es reflektierte das Licht wie ein Helm. Auch Sophie war da und grinste höhnisch, die Arme über ihrem Ballonbusen verschränkt. Sophie und Romy so nah beieinander stehen zu sehen, ganz wie ein altes Liebespaar, machte Molly noch kränker.
Vielleicht waren sie ja noch zusammen. Diese Sophie mit ihrem Pferdegesicht hing ständig in seiner Nähe herum und versuchte, Molly auszustechen. Und jetzt stand sie sogar in Mollys Zimmer, war einfach hereingekommen, obwohl sie gar kein Recht dazu hatte.
Aufgebracht versuchte Molly, sich zu setzen, aber dann sah sie nichts mehr und fiel zurück auf ihr Bett. »Mir ist schlecht«, sagte sie.
»Schlecht ist dir
gewesen
«
,
sagte Romy. »Und jetzt mach dich mal sauber. Sophie hilft dir.«
»Sie soll mich nicht anrühren. Raus mit ihr.«
Sophie schnaufte. »In deiner vollgekotzten Bude hält mich nichts, Miss Ohne-Titten«, sagte sie und marschierte hinaus.
Molly stöhnte. »Ich weiß gar nicht, was passiert ist, Romy.«
»Nichts ist passiert. Du bist nach Hause gekommen und hast dich ins Bett gelegt. Und dein Kissen vollgekotzt.«
Wieder
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