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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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blöden Patienten denn nie im voraus?«
    »Sie halten uns für eine Tag-und-Nacht-Apotheke. Na gut, wir nehmen erst mal noch seine Personalien auf. Lassen Sie sich ruhig Zeit.«
    »Ich bin gleich da.«
    Nachdem Maudeen wieder weg war, ließ Toby sich auch die nötige Zeit, bis sie ganz wach war. Sie wollte schließlich halbwegs vernünftig klingen, wenn sie mit dem Patienten sprach. Sie stand vom Schreibtisch auf und ging zum Waschbecken. Seit zehn Stunden war sie nun im Dienst, und bis jetzt war die Schicht ohne Vorkommnisse verlaufen. Das war das Angenehme, wenn man in einem ruhigen Vorort wie Newton arbeitete. Es gab oft lange Phasen, in denen in der Notaufnahme des Springer Hospitals absolut nichts los war und Toby sich bei Bedarf im Bereitschaftszimmer auf dem Bett ausstrecken und ein Nickerchen machen konnte. Sie wußte, daß die anderen Ärzte der Notaufnahme das grundsätzlich taten, aber Toby widerstand gewöhnlich der Versuchung. Sie bekam ihr Geld dafür, daß sie die zwölfstündige Nachtschicht arbeitend verbrachte, und es schien ihr und ihrem Beruf nicht angemessen, irgendeine Stunde davon im weggetretenen Zustand zu verbringen.
    Soviel zum beruflichen Aspekt,
dachte sie und starrte ihr Spiegelbild an. Sie war während der Arbeit eingeschlafen, und die Folgen davon konnte sie in ihrem Gesicht studieren. Ihre grünen Augen waren verquollen. Druckerschwärze vom Blatt der Zeitschrift hatte ihr ein paar Worte auf die Wange geschmiert.
    Ihre teure Frisur aus dem Coiffeursalon sah aus, als wäre jemand mit dem Schneebesen hindurchgefahren. Die blonden Haare standen in krausen Büscheln vom Kopf ab. Das war also die stets korrekte und immer elegante Dr. Harper – so elegant nun auch wieder nicht.
    Mit gerümpfter Nase beugte sich Toby zum Wasserhahn und rieb energisch die Druckerschwärze aus ihrem Gesicht. Auch das Haar befeuchtete sie und kämmte es mit den Fingern zurück. Soviel zum Thema teure Haarschnitte. Jedenfalls sah sie jetzt nicht mehr aus wie ein zerrupfter Löwenzahn in Blond. Gegen die geschwollenen Augen und den erschöpften Anblick, den sie bot, konnte sie nichts unternehmen. Mit ihren achtunddreißig Jahren konnte Toby die Nächte nicht mehr so zum Tag machen, wie seinerzeit als fünfundzwanzigjährige Medizinstudentin.
    Sie ging aus dem Zimmer und den Flur hinunter zur Notaufnahme.
    Niemand zu sehen. Der Empfang war unbesetzt, das Wartezimmer leer. Sie rief: »Hallo?«
    Über die Sprechanlage meldete sich eine Stimme. »Dr. Harper?«
    »Wo seid ihr denn alle?«
    »Im Aufenthaltsraum. Könnten Sie wohl mal herkommen?«
    »Wartet denn nicht ein Patient auf mich?«
    »Wir haben da ein Problem. Wir brauchen
Sie jetzt sofort.
«
    Ein
Problem?
Das Wort gefiel Toby gar nicht. Gleich ging ihre Pulsfrequenz nach oben. Sie eilte zum Aufenthaltsraum und stieß die Tür auf.
    Ein Blitzlicht platzte los. Sie blieb wie erstarrt stehen, während ein vielstimmiger Chor einsetzte:
    »
Happy birthday to you! Happy birthday to you …
«
    Über Tobys Kopf flatterten rote und grüne Papierschlangen.
    Dann sah sie die Torte mit den brennenden Kerzen – Dutzende.
    Bei den letzten Tönen des Geburtstagsständchens schlug sie die Hände vor das Gesicht und stöhnte. »Ich glaube es einfach nicht. Ich hatte es total vergessen.«
    »Wir aber nicht«, sagte Maudeen und schoß noch ein Foto mit ihrer Instamatic. »Sie werden heute siebzehn, ja?«
    »Das würde ich gerne. Welcher Witzbold hat denn die Unmengen von Kerzen angesteckt?«
    Morty, der Labortechniker, hob sein fettes Händchen. »Hey, niemand hat mir gesagt, wann ich aufhören sollte.«
    »Na ja, Morty wollte eben testen, ob unsere Sprinkleranlage ordentlich funktioniert …«
    »In Wirklichkeit ist es ein Lungentest«, sagte Val, die andere Notaufnahmeschwester. »Um ihn zu schaffen, müssen Sie sie alle auf einen Schlag auspusten, Toby.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann müssen wir
intubieren!
«
    »Los, Toby. Wünschen Sie sich was!« forderte Maudeen sie auf.
    »Groß muß er sein, dunkel und gutaussehend.«
    »In meinem Alter entscheide ich mich lieber für klein, dick und reich.«
    Arlo, der Wachmann, meldete sich zu Wort. »Hey! Zwei von den drei Qualifikationen bringe ich schon mit.«
    »Und eine Frau hast du auch schon«, wies Maudeen ihn zurecht.
    »Los, Tobe! Einen Wunsch!«
    »Ja, einen Wunsch.«
    Toby setzte sich vor die Torte. Die vier anderen umringten sie, drängelten und kicherten wie herum-balgende Kinder. Sie waren für sie so etwas wie

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