Rotglut
froh über die Abwechslung. So fand sie ihre innere Ruhe allmählich wieder. Das Wiederauftauchen ihres ersten Mannes hatte sie doch stärker aus der Bahn geworfen, als sie sich selbst eingestehen wollte. Kurz schweiften ihre Gedanken ab, als sie für einen Moment in die Küche ging, um eine weitere Kanne Kaffee aufzusetzen. Sie dachte an das Treffen mit ihrem Exmann.
Nachdem Saskia bei ihr gewesen war, hatte Hannelore ihn einen Tag später im Hotel aufgesucht. Schlecht sah er aus, aber das kümmerte sie wenig. Wenn er nicht augenblicklich aus der Stadt verschwinden würde, drohte sie, würde sie eigenhändig dafür sorgen. Raimund zeigte sich völlig unbeeindruckt von ihren Drohungen. Es kam zu einem ausgewachsenen Streit, und sie zog, nachdem sie feststellen musste, dass mit Raimund nicht zu reden war, wutentbrannt ab. Vollkommen aufgelöst erschien sie zu Hause und dachte: ›Ich werde noch zur Alkoholikerin, wenn Raimund nicht bald verschwindet.‹ Ihr Nervenkostüm brauchte drei Gläschen Grappa, um sich wieder einigermaßen zu stabilisieren. Gut, Bertram hatte sie später tatsächlich einigermaßen beruhigt und ihr auch versprochen, dass sie sich keine Sorgen machen müsse, er würde sich um alles kümmern. Was Bertram vorhatte und wie er das anstellen wollte, hatte sie nicht gefragt. Nein, sie war noch nie eine Frau gewesen, die Fragen gestellt hatte. Sie wollte einfach nur ihr beschauliches Leben wieder zurückhaben.
Hannelore kehrte mit einem etwas aufgesetzten Lächeln, was allerdings niemand bemerkte, zurück zu ihrer Familie. Mitten im angeregten Geplauder klingelte es erneut an der Tür. Hannelore runzelte die Stirn. Sie erwartete niemanden mehr. Hoffentlich kam heute nicht schon wieder jemand, der ihr eine Hiobsbotschaft überbringen würde. Sie ging zur Haustür und öffnete. Saskia.
»Kind, was ist denn jetzt los? Hast du geweint?«, begrüßte sie ihre Tochter besorgt und nahm sie in die Arme.
Saskia Uhlenbruck schniefte: »Ja, ich komm einfach nicht klar mit dem, was passiert ist. Kann ich reinkommen?«
Hannelore nickte. Hoffentlich riss sich Saskia zusammen und erwähnte nichts von den Geschehnissen der letzten Tage. Simon hatte von all dem keine Ahnung und so sollte es nach Hannelores Meinung auch bleiben.
»Simon und Jana sind da, wir reden über die Hochzeit. Das bringt dich sicher auf andere Gedanken.«
Saskia versuchte ein zaghaftes Lächeln. »Schön. Ich geh nur eben noch zur Toilette und kühl mir etwas die Augen. Die sind doch bestimmt ganz geschwollen.«
Nachdem Saskia sich erfrischt hatte, gesellte sie sich zu ihrer Familie auf die Terrasse. Nach freudiger Begrüßung, vor allem durch ihren Bruder, den sie seit Wochen nicht mehr gesehen hatte, setzte sie sich dazu und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. Simon bemerkte das Zittern ihrer Hände und ihre geröteten Augen.
»Vielleicht solltest du lieber keinen Kaffee trinken, so wie du zitterst. Das macht es bestimmt nicht besser. Geht’s dir nicht gut? Deine Augen sind ganz rot.« Er saß neben seiner Schwester und legte ihr die Hand auf den Arm. »Doch, doch«, wehrte Saskia ab. »Alles okay, Simon. Ich bin nur etwas gestresst und ich glaube, ich habe Heuschnupfen. Muss mich mal testen lassen.«
Doch Simon ließ sich nicht täuschen, dazu kannte er seine Schwester zu gut, und es gab eigentlich nichts, worüber sie nicht offen miteinander sprachen. »Erzähl keine Märchen, was ist los? Wir können uns auch nach drinnen setzen, wenn du willst.«
Seine Verlobte warf ihm einen frostigen Blick zu. Offensichtlich begeisterte sie die Aussicht, das Thema Hochzeit unterbrechen zu müssen und dann auch noch allein mit ihren künftigen Schwiegereltern Kaffee zu trinken, wenig. »Lass sie doch«, sagte sie spitz, »du siehst doch, dass sie nicht will. Und außerdem hat Saskia gesagt, es wäre nur der Stress. Im Übrigen sollten wir uns um die Hochzeit kümmern. Deswegen sind wir schließlich hier.«
Saskia stand auf. »Schon gut, Simon, ich glaube, es ist wahrscheinlich besser, ich gehe wieder.« Hannelore tauschte verstohlene Blicke mit ihrem Mann. Auch ihnen war es lieber, Saskia würde nach Hause fahren. In ihrem jetzigen Zustand würde sie sich vielleicht doch ihrem Bruder anvertrauen, und noch mehr familiäre Komplikationen konnten die Uhlenbrucks im Moment wirklich nicht gebrauchen.
»Ich rufe dich später an, mein Schatz«, sagte Hannelore und erhob sich ebenfalls, um ihre Tochter zur Haustür zu geleiten. Simon kam mit. »Was,
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