Rousseau's Bekenntnisse
den Aufstand niederzuhalten, aber er hatte der Macht des Geldes und des Weines nur die des Gesetzes, der Gerechtigkeit und der Vernunft entgegenzusetzen; die Partie war nicht gleich, und in diesem Punkte war der Vortheil auf Montmollins Seite. Gleichwohl hätte ich, für seine Mühen und seinen Eifer dankbar, ihm für seine Gefälligkeiten gern einen Gegendienst erwiesen und ihm seine Liebe auf irgend eine Weise vergolten. Ich wußte, daß sein größtes Verlangen nach einer Staatsrathsstelle gerichtet war; allein da er in Sachen des Predigers Petitpierre gegen den Hof Partei genommen hatte, befand er sich sowohl bei dem Fürsten wie bei dem Statthalter in Ungnade. Trotzdem wagte ich seinetwegen an Mylord Marschall zu schreiben, wagte sogar das Ziel seiner Sehnsucht zu erwähnen und mit so glücklichem Erfolge, daß ihm gegen aller Erwartung fast augenblicklich die Stelle eines Staatsrates vom Könige verliehen wurde. So fuhr das Schicksal, das mich gleichzeitig immer zu hoch und zu niedrig gestellt hat, fort, mich von einem Extrem in das andere zu schleudern, und während mich der Pöbel mit Koth bewarf, machte ich einen Staatsrath.
Meine zweite große Freude brachte mir ein Besuch, welchen mir Frau von Verdelin mit ihrer Tochter abstattete, die sie in das Bad Bourbonne gebracht hatte, von wo sie einen Abstecher nach Motiers machte und zwei oder drei Tage bei mir wohnte. Durch Aufmerksamkeit und stetes Entgegenkommen hatte sie endlich mein langes Widerstreben überwunden und mein von ihren Zärtlichkeiten besiegtes Herz erwiderte die echte Freundschaft, die sie mir so lange an den Tag gelegt hatte. Ich war von diesem Benehmen gerührt, vor allem in der Lage, in der ich mich befand, wo ich der Tröstungen der Freundschaft in so hohem Grade bedurfte, um meinen Muth aufrecht zu erhalten. Ich fürchtete, die Beleidigungen, die mir der Pöbel zufügte, würden sie ängstigen, und gern hätte ich ihr den Anblick derselben erspart, um ihr Herz nicht zu betrüben, aber dies war mir nicht möglich und obgleich ihre Gegenwart die Unverschämten auf unsren Spaziergängen ein wenig in Schranken hielt, sah sie doch genug, um sich eine Vorstellung von dem machen zu können, was sich zu andren Zeiten zutrug. Während ihres Aufenthalts bei mir war es sogar, daß man anfing, mich nächtlicher Weile in meiner eigenen Wohnung anzugreifen. Ihre Kammerfrau fand eines Morgens einen ganzen Haufen Steine vor meinem Fenster, die man während der ganzen Nacht dagegen geworfen hatte. Eine sehr schwere Bank, die auf der Straße neben meiner Hausthüre stand und sehr haltbar befestigt war, wurde losgemacht, aufgehoben und aufrecht gegen die Thüre gestellt, so daß, wäre es nicht bemerkt worden, der Erste, welcher, um herauszugehen, die Thüre geöffnet hätte, erschlagen worden wäre. Frau von Verdelin erfuhr alles, was sich zutrug, sehr genau, denn abgesehen von dem, was sie selbst sah, verkehrte auch ihr vertrauter Diener häufig im Dorfe, machte sich mit aller Welt bekannt und wurde sogar mit Montmollin in Unterhaltung gesehen. Indessen schien sie nichts von dem, was mir widerfuhr, Beachtung zu schenken, redete mit mir weder von Montmollin noch irgend einem andern und erwiderte wenig auf das, was ich ihr bisweilen darüber mittheilte. Nur schien sie überzeugt, daß für mich der Aufenthalt in England passender wäre als irgend ein anderer, und redete mit mir viel von Herrn Hume, der damals in Paris war, von seiner Freundschaft für mich und von seinem Wunsche, mir in seiner Heimat nützlich zu werden. Es ist an der Zeit, etwas über Herrn Hume zu sagen.
Er hatte sich in Frankreich und namentlich unter den Encyklopädisten durch seine Abhandlungen über Handel und Politik und zuletzt durch seine Geschichte des Hauses Stuart, die einzige seiner Schriften, von der ich etwas in der Uebersetzung des Abbé Prévost gelesen hatte, einen großen Ruhm erworben. Da ich seine übrigen Werke nicht gelesen, glaubte ich an das, was man mir von ihm erzählte, daß er nämlich trotz seiner englischen Anschauungen über die Vorzüge des Luxus doch eine echt republikanische Seele hätte. In Folge dieser Ansicht betrachtete ich seine ganze Verteidigung Karls I. als ein Wunder von Unparteilichkeit und hatte eine eben so große Vorstellung von seiner Tugend wie von seinem Genie. Das Verlangen, diesen seltenen Mann kennen zu lernen und seine Freundschaft zu erlangen, hatte die Versuchung, nach England zu gehen, welche die Bitten der Frau von Boufflers, einer
Weitere Kostenlose Bücher