Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
Prolog
Hannah wirbelte in ihrem Kleid herum und konnte es immer noch nicht fassen, dass dieser Tag wirklich gekommen war. Zart umschmeichelte der elfenbeinfarbene Duchesse-Satin die Haut. Der trägerlose Schnitt ließ ihre schmalen Schultern etwas breiter wirken und die handgestickten Perlenapplikationen betonten die Brust. Im Gegenzug akzentuierte der ausgestellte Rock die Taille und umspielte die Hüften. Noch nie hatte sie so attraktiv ausgesehen.
Endlich fühlte sie sich wohl im eigenen Körper. Weiblich sah sie aus, und sie war stolz darauf. Vergessen waren die Jahre des Spotts, in denen man sie wegen ihrer ausladenden Hüften aufgezogen hatte. Sie würden die Kinder gebären, die Brett und sie sich so wünschten.
Hannah sah in den Spiegel und überprüfte ihre Frisur. Drei Stunden beim Friseur – die Strähnchen, die heißen Lockenwickler, das Zupfen und Ziehen, es hatte sich gelohnt. Das hochgesteckte Haar ließ das Gesicht frei, betonte die Wangenknochen und verlängerte den Hals. Das Make-up war üppiger als sonst, aber die Visagistin hatte versprochen, es würde auf den Fotos natürlich wirken.
Sie hob die Hand vors Gesicht, bis sie das Funkeln an ihrem Finger einfing. Im Spiegel blitzte der Verlobungsring auf, den sie seit sechs Monaten mit großem Stolz trug. Man wurde geradezu geblendet, so strahlte er im Schein der Badlampen des Hotelbungalows – nun ja, fast.
Es klopfte leise an der Tür.
»Hannah, der Fotograf möchte noch ein paar Bilder machen, bevor es losgeht. Dad wartet vorne auf den Wagen. Es ist nicht mehr viel Zeit.«
Sie atmete tief durch und zog die Badtür auf. Ihre jüngere Schwester hatte das Zimmer aufgeräumt und das Bett mit pinkfarbenen Rosenblättern bestreut. Ihr stiegen Tränen in die Augen.
»O nein, das lässt du schön bleiben!«, warnte Dakota. »Du siehst so schön aus. Du wirst jetzt nicht dein Make-up ruinieren!«
Die beiden umarmten sich innig. Als die achtzehnjährige Schwester den Spitzenschleier von der Stuhllehne nahm, war Hannah die glücklichste Frau der Welt. Ohne Widerstand glitt der antike Kamm in die Rückseite des Dutts.
»Jetzt ist alles perfekt. Brett wird unglaublich stolz sein.«
An der Tür meldete sich eine rauchige Stimme.
»Denk dran, ich habe geheiratet, da war ich so alt wie du, und das war der schlimmste Fehler meines Lebens.«
»Dann sind Dakota und ich also Fehler? Besten Dank auch, Mom.« Hannah hatte gehofft, ihre Mutter würde sich für sie freuen, aber das war zu viel verlangt. Die Töchter kannten die übliche Litanei zur Genüge und brauchten keine Auffrischung, vor allem nicht jetzt.
Die ältere Frau trat vor und rückte das diamantbesetzte Goldkreuz zurecht, das Hannah um den Hals trug. »Ihr beiden seid das Schönste, was mir je vergönnt war. Ich will nur nicht, dass du denselben Fehler machst. Wenn du dir nicht ganz und gar sicher bist oder lieber noch ein, zwei Jahre warten willst, musst du es nur sagen. Wenn der Junge dich wirklich liebt, wird er warten.«
»Wir haben doch schon das Ende der Footballsaison abgewartet, damit unsere Freunde dabei sein können.«
» Seine Freunde, meinst du. Dein Vater war ganz genauso loyal – zu jedem, der nicht zur Familie gehörte.«
Hannah schämte sich, dass ihre Mutter im Beisein des Fotografen so daherredete. Sie konnte nur hoffen, dass er vor lauter Knipsen nichts mitbekam.
Dakota reichte ihr den Brautstrauß, und Hannah lächelte in die Kamera. Während der Fotograf munter weiter auf den Auslöser drückte, warf sie einen kurzen Blick aufs Bett. Ein leises Stimmchen in ihrem Kopf fragte, ob Brett wohl noch viel länger gewartet hätte. Ihr Enthaltsamkeitsgelöbnis hatte die Beziehung auf eine harte Probe gestellt, wenngleich er von Anfang an gewusst hatte, wie tief sie in ihrem Glauben verwurzelt war. Heute Nacht durften sie sich zum ersten Mal lieben, hier, nur wenige Meter von dem Strand entfernt, an dem sie gezeltet hatten, als Brett um ihre Hand anhielt.
Die Mutter senkte ihr den Schleier vors Gesicht. »Denk dran, in der Hochzeitsnacht kann eine Ehe begründet werden oder in die Brüche gehen.«
»Herrgott, Mom, gib doch endlich Ruhe. Sie ist auch ohne deine düsteren Prophezeiungen schon nervös genug. Geh lieber schauen, was Dad inzwischen treibt.« Dakota führte die Mutter hinaus, dann kam sie zurück, um ihren Strauß zu holen. »Mach dir keine Sorgen, noch ein Glas Wein, und sie wird alle unverheirateten Frauen eindringlichst vor den Schrecken der Geburt
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