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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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besuchte sie dort öfter und brachte ihr zwei Karten mit dem gleichen Namenszuge, deren eine in die Windeln des Kindes gelegt wurde. Darauf wurde letzteres von der Hebamme in der gewöhnlichen Weise auf dem Bureau des Findelhauses abgegeben. Im folgenden Jahre der nämliche Uebelstand und das nämliche Auskunftsmittel, nur der Namenszug wurde fortgelassen; keine größere Bedenklichkeit meinerseits; keine größere Lust seitens der Mutter, auf diesen Wunsch einzugehen; sie gehorchte seufzend. Man wird späterhin alle Wandlungen, welche dieser unselige Schritt in meiner Denkweise wie in meinem Leben hervorgebracht hat, kennen lernen. Halten wir uns für jetzt an diesen ersten Zeitabschnitt. Die eben so bitteren und unerwarteten Folgen desselben werden mich nur zu sehr zwingen, darauf zurückzukommen.
    In diese Zeit fällt meine erste Bekanntschaft mit Frau von Epinay, deren Name in diesen Denkwürdigkeiten oft genannt werden wird. Sie war ein geborenes Fräulein von Esclavelles und hatte sich vor Kurzem mit Herrn von Epinay, dem Sohne des Generalpächters von Lalive de Bellegarde, verheirathet. Ihr Gatte war eben so musikalisch wie Herr von Francueil. Auch sie war musikalisch, und die Leidenschaft für diese Kunst hatte unter diesen drei Personen eine innige Freundschaft geknüpft. Herr von Francueil hatte mich bei Frau von Epinay eingeführt, ich speiste mit ihm bisweilen zu Nacht bei ihr. Sie war liebenswürdig und zeichnete sich durch Geist und Talente aus; es war sicherlich eine vielversprechende Bekanntschaft. Aber sie hatte eine Freundin, ein Fräulein von Ette, die für boshaft galt und mit dem Chevalier von Valory lebte, dem man auch keine große Herzensgüte nachrühmte. Der Umgang mit diesen beiden Personen war, wie ich glaube, der Frau von Epinay nachtheilig, der die Natur nebst einem sehr begehrlichen Temperamente herrliche Eigenschaften verliehen hatte, es zu mäßigen oder vor sittlichen Verirrungen zu bewahren. Herr von Francueil flößte ihr einen Theil seiner Freundschaft für mich ein und gestand mir sein Verhältnis mit ihr, dessen ich deswegen hier nicht erwähnen würde, wenn es nicht so bekannt wäre, daß es nicht einmal Herrn von Epinay verborgen blieb. Herr von Francueil machte mir über diese Dame sogar im Vertrauen sehr seltsame Mittheilungen, die sie selbst mir nie gemacht hat, und von denen sie mich auch nie unterrichtet glaubte; denn darüber öffnete ich nie in meinem Leben den Mund und werde ihn auch weder ihr noch sonst jemand gegenüber nie öffnen. [Fußnote: Die vertraulichen Mittheilungen, die Herr von Francueil Rousseau über Frau von Epinay machte, sind heutigen Tages für niemand mehr ein Geheimnis. Aus den unter dem Namen dieser Dame veröffentlichten Denkwürdigkeiten ersehen wir, daß Frau von Epinay durch Ansteckung ihres Mannes syphilitisch erkrankt war und nun ihrerseits ihren Geliebten angesteckt hatte, der beinahe gestorben wäre.] Dieses mir von allen Seiten entgegengebrachte Vertrauen machte meine Lage sehr peinlich, namentlich Frau von Francueil gegenüber, die mich gut genug kannte, um nicht Mißtrauen gegen mich zu hegen, obgleich ich ein Verhältnis mit ihrer Nebenbuhlerin hatte. Ich tröstete nach bestem Vermögen diese arme Frau, der ihr Gatte die Liebe, die sie für ihn hatte, sicherlich nicht vergalt. Ich hörte jede dieser drei Personen einzeln an, bewahrte ihre Geheimnisse mit größter Treue, ohne daß mir eine der drei je eines der beiden andern zu entreißen vermochte, und ohne daß ich einer der beiden Frauen meine Liebe für ihre Nebenbuhlerin verhehlte. Frau von Francueil, die sich meiner zu vielerlei bedienen wollte, mußte sich entschiedene Weigerungen gefallen lassen, und Frau von Epinay, die mir einmal einen Brief zur Besorgung an Francueil übergeben wollte, erhielt nicht allein einen gleichen Bescheid, sondern auch die unumwundene Erklärung, daß sie, wollte sie mich für immer aus ihrem Hause los sein, nur zum zweiten Male eine ähnliche Bitte an mich zu richten brauchte. Ich muß Frau von Epinay Gerechtigkeit widerfahren lassen: dieses Auftreten schien ihr so wenig zu mißfallen, daß sie es sogar Francueil mit Lobsprüchen erzählte und mich später nicht weniger freundlich empfing als sonst. So bewahrte ich mir in den stürmischen Verhältnissen zwischen drei Personen, die ich zu schonen hatte, ja, von denen ich gewissermaßen abhängig war, und die ich von Herzen lieb hatte, bis ans Ende ihre Freundschaft, ihre Achtung und ihr Vertrauen,

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