Mein glaeserner Bauch
S chwanger zu sein, Mutter oder Vater zu werden, eine Geburt zu erleben, ist mit intensiven Gefühlen verbunden, einer oft komplizierten Mischung aus Hoffnungen und Ängsten.
Um diese Ängste zu bannen, ist es für die meisten Schwangeren heute selbstverständlich, sich und ihr Kind von Anfang an regelmäßig untersuchen zu lassen. Neben der üblichen Schwangerenvorsorge gibt es dabei auch Verfahren, die gezielt eine Erkrankung oder Fehlbildungen des Kindes sowie Hinweise auf mögliche genetische Störungen ausfindig machen sollen – in der Medizin Pränataldiagnostik genannt.
Pränataldiagnostik ist nicht zu verwechseln mit Präimplantationsdiagnostik, kurz PID , über die in den Medien seit 2010 intensiv berichtet und in der Öffentlichkeit heftig gestritten wurde, denn Präimplantationsdiagnostik findet statt, bevor ein künstlich befruchteter Embryo operativ in die Gebärmutter eingepflanzt wird – also vor einer tatsächlichen Schwangerschaft. Die Untersuchungen der pränatalen Diagnostik hingegen beginnen etwa ab der neunten Schwangerschaftswoche. Zu ihnen gehören bestimmte Ultraschall- und Bluttests – die sogenannten non-invasiven Methoden – sowie direkte Eingriffe in die Gebärmutter, bei denen mit einer Punktionsnadel genetisches Material des Kindes entnommen wird – die sogenannten invasiven Methoden.
Eine Broschüre für Schwangere, die ich vor Kurzem im Wartezimmer einer Gynäkologin fand, lockt schon auf dem Titelblatt mit den Worten: sicher – geschützt – geborgen . Und auf der letzten Seite steht das Versprechen: Wir sind für Sie da. Welche Schwangere wünscht sich das nicht?
Unter der Überschrift »Vorsorge bedeutet Sicherheit für Ihr ungeborenes Kind« macht die Gynäkologin darauf aufmerksam, dass die werdende Mutter noch weitaus mehr für sich und ihr Kind tun kann, als die Krankenkassen bewilligen dürfen. »Diese Leistungen können im Einzelfall sinnvoll sein, um Ihnen und Ihrem Kind die größtmögliche Sicherheit zu bieten «, erklärt die Ärztin.
So werden zum Beispiel 3D-Ultraschalluntersuchungen mit zauberhaften Bildern beworben als eine Möglichkeit, »eine photoähnliche Abbildung Ihres Kindes im Mutterleib zu erhalten … Eine Erinnerung fürs Leben!« Welche medizinische Bedeutung dieser Ultraschall hat, steht in der Broschüre jedoch nicht.
Deutlich erkennbar wird das Faltblatt, in dem für dieses Angebot geworben wird, »Informationsträger« genannt. Und es wird versichert: »Dies ist keine Werbebroschüre.« Denn Ärzte dürfen für sich keine Reklame machen.
Unter dem Vorwand, der Schwangeren und ihrem Kind die größtmögliche medizinische Sicherheit zu bieten, wird hier etwas angepriesen, das über die übliche Kassenleistung hinausgeht. Es werden Untersuchungen empfohlen, die von der Patientin privat bezahlt werden müssen. Inzwischen gibt es in manchen Praxen sogar die Möglichkeit, gegen Bezahlung ein Video vom Kind über Ultraschall aufzuzeichnen.
Natürlich wünscht sich jede werdende Mutter Sicherheit für ihr Ungeborenes. Aber leider sind es falsche Versprechungen, die hier gemacht werden. Falsche Fährten für Schwangere, gerade wenn sie sich allzu vertrauensvoll auf alle Zusatzangebote bei der medizinischen Betreuung ihrer Schwangerschaft einlassen. Denn für die meisten der schon im Mutterleib erkennbaren Abweichungen oder Krankheiten gibt es bis heute keine Therapie. Für ein gesundes Kind gibt es keine Garantie, auch nicht durch die Maßnahmen der vorgeburtlichen Diagnostik.
»Vorsorge ist wichtig für Sie und Ihr Kind«, heißt es in der Broschüre, und zu den empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen gehört an erster Stelle das sogenannte Ersttrimester-Screening. Ein Test, der mittels Ultraschall und einer Blutuntersuchung der Mutter Informationen über das Risiko möglicher Chromosomenstörungen liefern soll. Diese ergänzende Ultraschalluntersuchung am Ende des ersten Schwangerschaft-Trimesters ist keineswegs harmlos. Sie dient der Messung der Nackenfalte oder, wie es medizinisch heißt, der Nackenfaltentransparenz des Ungeborenen. Innerhalb der Verfahren der Pränataldiagnostik ist diese Untersuchung der erste Schritt, um eventuell vorhandene Chromosomenabweichungen zu entdecken. Bei einem auffälligen Befund folgen dann üblicherweise im nächsten Schritt die sogenannten invasiven Methoden, eine Chorionzottenbiopsie oder eine Fruchtwasseruntersuchung, mit denen problematische Ergebnisse des Ersttrimester-Screenings abgeklärt werden sollen. All
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