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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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geboren sein mag, die Kunst zu schreiben lernt sich nicht auf einmal.
    Ich handle diese Arbeit ab, ohne mit irgend einem andern davon zu reden, wenn nicht etwa mit Grimm, mit dem ich seit seinem Eintritt bei dem Grafen von Friesen in innigster Freundschaft zu leben begann. Unser Vereinigungspunkt bildete sein Klavier, an welchem ich alle freie Augenblicke mit ihm zubrachte, um italienische Lieder und Barcarolen unermüdlich und rastlos vom Morgen bis zum Abend, oder vielmehr vom Abend bis zum Morgen zu singen; und sobald man mich nicht bei Frau Dupin fand, war man sicher mich bei Herrn Grimm oder wenigstens in seiner Gesellschaft, sei es auf dem Spaziergange oder im Theater, zu finden. Ich hörte auf, die italienische Komödie zu besuchen, zu der ich freien Eintritt hatte, die er aber nicht leiden konnte, um mit ihm für mein Geld in die französische Komödie zu gehen, für die er leidenschaftlich eingenommen war. Kurz, dieser junge Mann übte auf mich eine so mächtige Anziehungskraft aus, und ich wurde so unzertrennlich von ihm, daß selbst die arme Tante darüber vernachlässigt wurde, das heißt, daß ich sie seltener sah, denn meine Liebe zu ihr hat auch nicht einen Augenblick meines Lebens abgenommen.
    Diese Unmöglichkeit, die wenige Zeit, die ich frei hatte, zwischen meinen Neigungen zu theilen, erneuerte lebhafter als je den Wunsch, den ich längst hegte, mit Therese nur einen gemeinschaftlichen Haushalt zu führen; aber die Verlegenheit, die durch ihre zahlreiche Familie hervorgerufen wurde, und besonders der Mangel an Geld zum Ankauf der Möbel, hatten mich bis jetzt zurückgehalten. Die Gelegenheit zur Durchführung dieses Planes bot sich dar, und ich benutzte sie. Da Herr von Francueil und Frau Dupin sehr wohl einsahen, daß acht- bis neunhundert Franken jährlich für mich nicht ausreichen konnten, so erhöhten sie aus eigenem Antriebe mein jährliches Honorar auf fünfzig Louisd'or; ja noch mehr, als Frau Dupin vernahm, daß ich die Absicht hatte, mir eigene Möbel anzuschaffen, kam sie mir auch hierbei zu Hilfe. Wir legten nun das alles mit den Möbeln, welche Therese bereits besaß, zusammen, und nachdem wir eine kleine Wohnung im Hotel de Languedoc, in der Straße Grenelle Saint-Honoré, bei sehr guten Leuten gemiethet hatten, richteten wir uns darin, so gut wir konnten, ein und haben dort sieben Jahre lang bis zu meiner Uebersiedelung nach der Eremitage friedlich und angenehm gewohnt.
    Theresens Vater war ein ältlicher, gutmüthiger und sehr freundlicher Herr, der sich vor seiner Frau außerordentlich fürchtete und ihr den Spitznamen Kriminallieutenant gegeben hatte, eine Benennung, die Grimm späterhin scherzweise auf die Tochter übertrug. Der Frau Le Vasseur fehlte es nicht an Geist; sie war sogar auf ihre Bildung und ihr vornehmes Wesen stolz; aber sie hatte etwas Geheimthuerisches und Einschmeichelndes an sich, das mir unerträglich war, da sie ihrer Tochter ziemlich schlechte Rathschläge ertheilte, sie zur Verstellung gegen mich anhielt und meinen Freunden, einem jeden allein und immer auf meine und der andern Kosten, zu gefallen suchte. Im Uebrigen war sie eine ziemlich gute Mutter, da sie ihre Rechnung dabei fand, es zu sein, und verdeckte die Fehler ihrer Tochter, weil sie von ihnen Nutzen hatte. Diese Frau, die ich mit Aufmerksamkeiten, Zuvorkommenheiten und kleinen Geschenken überhäufte, und deren Liebe zu erwerben ich mir außerordentlich angelegen sein ließ, war in Folge der deutlichen Unmöglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, die einzige Ursache von Unbehaglichkeit, die ich in meiner kleinen Wirtschaft empfand. Uebrigens kann ich sagen, daß ich während dieser sechs oder sieben Jahre das vollkommenste häusliche Glück, welches die menschliche Schwäche gestattet, genossen habe. Das Herz meiner Therese war das eines Engels; unsere Neigung nahm mit der Innigkeit unserer Verbindung zu, und wir fühlten von Tage zu Tage mehr, wie sehr wir für einander geschaffen waren. Wenn unsere Freuden geschildert werden könnten, würden sie durch ihre Einfachheit Lachen erregen: unsere Spaziergänge im traulichen Zwiegespräche außerhalb der Stadt, wo ich in irgend einer Schenke großartig acht oder zehn Sous verthat; unsere kleinen Abendessen in der Fensternische, bei denen wir auf zwei kleinen Stühlen einander gegenüber saßen. Sie standen auf einem Koffer, der gerade in die Nische hineinpaßte. Das Fensterbrett mußte uns hierbei als Tisch dienen, und bei stetem Essen athmeten wir die

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