Rousseau's Bekenntnisse
keiner Erfolg hatte. Zur Probe will ich hier nur einen der komischsten berichten. Sie waren einst mit mehreren Edelleuten aus der Nachbarschaft, unter denen sich auch der streitige Herr befand, zusammen auf dem Lande. Eines Tages sagte Frau von Menthon zu einem dieser Herren, Frau von Warens wäre nur eine gezierte Närrin, sie hätte keinen Geschmack, kleidete sich schlecht und verhüllte ihren Busen wie eine Bürgerfrau. »Für das Letztere,« erwiderte der Herr, der ein Spaßvogel war, »hat sie ihre Gründe; wie ich nämlich weiß, hat sie auf ihrem Busen ein Mal, das einer dicken häßlichen Ratte gleicht, und zwar so täuschend, daß man sie für eine wirkliche halten sollte.« Der Haß macht eben so leichtgläubig wie die Liebe. Frau von Menthon beschloß, sich diese Entdeckung zu Nutze zu machen, und als Mama eines Tages mit dem undankbaren Günstling der Dame beim Spiele saß, nahm diese die Gelegenheit wahr, sich hinter ihre Nebenbuhlerin zu stellen, ihr den Stuhl halb umzuwerfen und dabei das Halstuch geschickt aufzudecken; allein anstatt der dicken Ratte bekam der Herr nur einen davon sehr verschiedenen Gegenstand zu erblicken, der nicht leichter zu vergessen war als zu sehen zu bekommen, und das hatte die Dame keineswegs beabsichtigt.
Meine Person war nicht dazu angethan, Frau von Menthon, die nur glänzende Leute um sich sehen wollte, zu beschäftigen. Trotzdem schenkte sie mir einige Beachtung, nicht um meines Aeußern willen, um welches sie sich sicherlich durchaus nicht kümmerte, sondern des Geistes wegen, den man bei mir annahm, und den sie zur Befriedigung ihres Hanges hätte verwerthen können. Sie hatte einen sehr lebhaften zur Satyre. Sie bespöttelte Leute, die ihr Mißfallen erregten, gern in Liedern und in Versen. Hätte sie bei mir genügendes Talent entdeckt, um ihr bei ihrer Versedrechslerei behilflich zu sein, und hinlängliche Bereitwilligkeit, um sie abzuschreiben, so würden wir beide in Chambery das Oberste zu unterst gekehrt haben. Man würde schließlich die Quelle dieser Spottlieder aufgefunden haben, Frau von Menthon hätte sich, indem sie mich opferte, aus der Sache gezogen, und ich wäre vielleicht lebenslänglich eingesperrt worden, um mich zu lehren, den Phöbus bei den Damen zu machen.
Glücklicherweise geschah nichts von dem allen. Frau von Menthon behielt mich zwei- oder dreimal zu Tische zurück, um mich zum Plaudern zu bringen, und gewann die Ueberzeugung, daß ich nur ein Dummkopf wäre. Ich fühlte es selbst und seufzte darüber, meinen Freund Venture um seine Talente beneidend, während ich meiner Dummheit hätte danken sollen, daß sie mich vor solchen Gefahren bewahrte. Ich blieb für Frau von Menthon der Gesanglehrer ihrer Tochter und nichts weiter; allein ich lebte in Chambery in Frieden und stets gern gesehen. Das hatte höheren Werth, als in ihren Augen ein Schöngeist und in denen aller anderen Leute eine Schlange zu sein.
Wie dem nun auch sein mag, Mama sah ein, daß es, um mich den Gefahren meiner Jugend zu entreißen, an der Zeit wäre, mich als Mann zu behandeln, und das that sie nun auch, aber in der eigentümlichsten Weise, auf welche wohl je eine Frau bei solcher Gelegenheit verfallen ist. Ich fand ihre Miene ernster, ihre Reden strenger als gewöhnlich. Die schelmische Heiterkeit, die sie ihren Belehrungen sonst beizumischen pflegte, hatte plötzlich einem stets gesetzten Tone, der weder vertraulich noch strenge war, aber eine Erklärung vorzubereiten schien, Platz gemacht. Nachdem ich den Grund dieser Veränderung vergeblich in mir selbst gesucht hatte, fragte ich sie nach demselben; darauf hatte sie nur gewartet. Sie schlug mir für den nächsten Tag einen Spaziergang nach dem kleinen Garten vor; wir hielten uns dort schon vom Morgen an auf. Sie hatte dafür gesorgt, daß man uns den ganzen Tag allein ließe; sie wandte ihn dazu an, mich auf die Gunst, die sie mir beweisen wollte, vorzubereiten, nicht wie eine andere Frau durch einschmeichelndes Benehmen und Liebkosungen, sondern durch Gespräche voller Gefühl und Vernunft, die mehr geeignet waren, mich zu belehren als zu verführen, und mehr zu meinem Herzen als zu meinen Sinnen redeten. Aber so vortrefflich und schön die Reden, welche sie mir hielt, auch waren, und obgleich sich in ihnen nichts weniger als Kälte und Trübsinn aussprach, so schenkte ich ihnen doch nicht die ganze Aufmerksamkeit, welche sie verdienten, und ich behielt sie nicht im Gedächtnisse, wie ich es in jeder andren Zeit
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