Roxelane
hängen!“ höhnte es zurück.
„Wißt ihr nicht“, übertrumpfte Igor aber die andern, „daß die magersten Fohlen die besten Renner geben? Laßt die nur mal erst richtig zu Fleisch kommen, in ein, zwei Jahren, dann ist es soweit, dann sprech ich mit Denko. Die Rosska hol ich mir noch einmal. Was, Schätzchen“, wandte er sich dann an die zappelnde Rosska, „wir beide werden noch mal ein Paar?“
Es war im Scherz gesagt. Doch das war es, daß es eben nicht nur ein Scherz war! Darum hielt Rosska es für ernst, und der erste Mann, der ihr Furcht einflößte, war Igor.
So unergründliche Angst brach aus ihren Augen, daß die Männer über den Igor zu murren anfingen.
Schließlich war die Rosska noch ein Kind, ein häßliches Kind obendrein, und des Igors Tätscheln und Scherzen war gegen Gott, der nicht wollte, daß man im Kind die Frau aufscheuche, wenn sie noch gar nicht erwacht war. So ganz genau konnten es die Männer nicht denken; aber Igors Tun war ihnen so, als wenn jemand ein Tier im Mutterleib töte. Gerade so erschien es ihnen!
Igor fühlte es selbst, und verlegen ließ er das Mädchen los.
Rosska aber nahm sofort die Gelegenheit wahr.
Mit einem unterdrückten, glucksenden Laut stürzte sie geduckt und wie geschlagen davon.
Nur ihre Nagaika lag noch auf den Planken.
Sie selbst wurde nicht mehr gesehen.
Erst als es schon dunkel war, stahl sie sich aus ihrem Versteck in der Pupp zum Spill hin. Dort blieb sie nun über der gespannten Ankerkette in guter Deckung hocken.
Annähernd hundert Tschaiken ankerten so, und bald erklangen von Bord zu Bord Gesang und das Klirren der Balaleiken. Immer länger wurden die Töne, immer trauriger wurden die Lieder, und immer betrunkener wurden die Männer.
Viele Tränen flossen, viele Küsse wurden unter den Männern getauscht, und das Geschluchze drang genauso zu Rosska wie die Musik und das Gestampfe der Tänzer.
Rosska begriff die Folgen, die Denkos Abwesenheit hatte. Trotz allem
Getanze und Gesinge war Rosska unter Denkos strenger Führung im Grunde alles viel heiterer erschienen.
Die Männer hatten sich auf die Lachse gefreut und auf das Lagern, ja selbst das voraussichtliche Geraufe mit den Tataren hatte durch die damit verbundene Aussicht auf ein Beutepferd keinerlei Kummer verbreiten können. Und wie lustig war es erst gewesen, wenn von den Schiffen zum Ufer und von den Reitern zur Flotte die Nachrichten durch bunte Wimpel hinüber- und herübergeflogen waren! So mancher Spaß war dabei unterlaufen, wie denn auch Rosskas Auftauchen an Bord sofort ans Ufer hinübergewinkt worden war, was ebenso schnell eine Reihe derblustiger Gegensignale über die Art ihrer Behandlung zur Folge gehabt hatte. Zum Teil waren das freilich etwas kränkende Vorschläge gewesen. Aber immerhin hatte sie sich nicht halb so darüber geärgert wie heute über den schrecklichen Igor.
Die Wimpel aber waren ihr genau wie den Vorgängern der jetzigen Kosaken anfangs wie eine Art Zauber vorgekommen. Auch die hatten sie erst den Tataren ablernen müssen, und die alten Leute erzählten noch davon, welches Grauen es in Vorzeiten erregt habe, daß die Fremden alles immer früher gewußt hätten, bis auch die Kosaken endlich dahintergekommen seien, daß bunte Zeugfetzen sprechen können. Tag für Tag war das so mit Winken und Frohsinn gegangen, bis dann die Reiter verschwunden waren.
In dieser Nacht aber wurde es auch Rosska klar, daß es um das Unternehmen nicht zum besten stand, klarer als vielen der Männer. Dennoch verfolgte sie über ihre eigenen Sorgen diesen Gedanken nicht weiter.
Denn da war vor allem Denko mit seinem ewigen: „Rosska muß so schnell wie möglich wieder nach Chortiza.“
Nun war es ja keineswegs Rosskas Absicht, für alle Zeiten auf der ,Kalka‘ zu bleiben, und daß die Tschaiken sich nicht vor Konstantinopel blicken lassen durften, wußte sie auch. Ja, falls sie wieder zurück müßte, würde es sogar seine Reize haben, im hohen Sattel durch die Steppe zu reiten, womöglich mit Handpferden, die man mit der Nagaika in Ordnung halten konnte, und als Bestes natürlich das Stromauftreideln einer Tschaik! Das alles mußte herrlich sein.
Doch ein Zurück hieß für sie immer nur: ,Zurück nach Chortiza.“ Sie aber kannte Chortiza nun. Was also sollte sie da?
Ihr Kätzchen hatte sie dem Vater Serafim gegeben, doch nur, um fortreisen zu können, hatte sie das getan. Und den Vater Serafim hatte sie wohl sehr lieb; aber sie hatte schließlich noch so vieles zu
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