Roxelane
Straßen mit den roten und gelben Häusern frommer Türken und nicht die der Griechen und Armenier, denen dunkelgraue und hellgraue Hausanstriche geboten waren. Denn wenn der Großherr auch keine Abneigung gegen die Christen empfand, so standen sie der gereinigten Lehre der Moslems und den Gebeten dieses Tages doch zu fern. Niemals aber wäre der Hufschlag des kaiserlichen Pferdes in den dunklen Gassen mit den violetten Häusern der Juden erklungen. Zu wenig angenehm waren sie den Augen des Herrn.
Auch die Häuser der Türken waren freilich steil und schmal. Nur wenige Fenster gingen zur Straße, doch aus den wenigen hingen die kostbaren Gewebe aus Kerat und Smyrna, Teppiche aus Teheran und
Samarkand. Und hinter den Kostbarkeiten drängten sich wie in den Torbögen die Menschen. Denn die laubbestreuten Gassen selbst mußten freibleiben. Dafür sorgten die Stäbe der Bostandschi, die rot-gelb mit ihren lang vom Kopf herabhängenden Baretas dem feierlichen Geleite voranschritten.
Schon hörte man aus der Ferne ein Brausen, durch das wie erste Sturmböen hohe Trompetenstöße pfiffen.
Und dann kamen sie.
Hinter den Bostandschi stampfte der harte Tritt genagelter Stiefel. Blauröckig und mit geschulterten Flinten marschierten einige Odas von Janitscharen auf, Kompanien des besten Fußvolkes der ganzen Welt.
Ihre halbmeterhohen, randlosen, weißen Filzzylinder, von denen es ihnen hinten weit und weiß auf die Schultern herabwallte, ließen die wettergebräunten bärtigen Gesichter noch dunkler und drohender erscheinen, als sie es so schon waren. Golden blitzten die Kugelknöpfe ihrer blauen Röcke, golden die gekreuzten Löffel an der Stirnseite ihrer Hauben. Die Kukas, die Federhelme ihrer berittenen Offiziere, waren vergoldet wie die Trompeten und der chinesische Schellenbaum ihrer Musik. Hörner, Pfeifen, Trommeln und Pauken rauschten auf, und so zogen die Odas in langsamem Schritt vorüber, der einzig und allein der kaiserlichen Würde entsprach.
Hinter den gelbrot gestreiften Fahnen der Janitscharen und ihrem in Brokat gekleideten Aga, dem auf der Stange zwei Roßschweife vorangetragen wurden, kamen wieder Bostandschi höherer Grade und die inneren Leibwachen mit den goldenen Uskufs auf den Köpfen. Immer prächtiger wurde der Zug.
Gold, Scharlach und Zobel kamen, juwelenbesetzte Geschirre und die edelsten Rosse Arabiens.
Hohe Staatsbeamte kamen, auf dem Haupt die Mudschewese, den hohen Turban, der nur die Spitze der Kappe freigab.
Die Würden des Gesetzes und der Schulen kamen, die Ulema mit der Chorasani, dem runden, alles verdeckenden Wulst auf dem Kopf, unter ihnen die Nachkommen des Propheten, die Seids, dann die Kadiaskere von Anatoli und Rum, die Heeresrichter von Europa und
Asien, zuletzt aber der hochwürdigste Mufti selbst auf einem silbrigen, hochbeinigen Esel mit pechschwarzen Nüstern, einem Esel aus dem erlauchtesten Blut von Maskat. Kunstreiche Ornamente waren dem Tier ins Fell geschoren, auf dem der ehrwürdige Greis wie eine weiße Wolke thronte, in die nur die Zobelplatten seines Gewandes leichtes Dunkel tupften.
Die Ulema waren die eine Säule des Großreichs, die Wesire die andere.
Das Korps der Muteferrika, der Hof- und Staatsfouriere, alles Männer, die sich um das Reich verdient gemacht hatten, kündigte die Wesire an.
Die Kalewi trugen die hohen Herren, den golddurchzogenen Turbanbund. Jeder der vier Minister ritt in einem Gewimmel von Pagen einher, jeder unter Vortrag seiner drei Roßschweife, und zum Schluß kam der alte Herr, der als Träger des kaiserlichen Siegels und Großwesir fünf Roßschweife zu beanspruchen hatte: Piri Mustafa Pascha. Sipahis folgten. Lehensreiterei vom Dienst, und darauf die ebenfalls berittenen Silihdare, die nicht minder prächtigen geworbenen Schwertträger.
Rechts gelbe, links rote Standarten, rechts eine rote, links eine weiße Großfahne - so begann der Auftritt des eigentlichen kaiserlichen Hauses mit den hohen und höchsten Hofwürden, und von nun an war auch nur einer im Zug noch beritten: der Herr.
Statt der Pferde seines Geleits wurden zweiunddreißig reich aufgezäumte kaiserliche Rosse von Stallmeistern vorangeführt, darunter zwölf mit silbernen, juwelenübersäten Schilden, ein Symbol, daß wahrlich kein Mangel, sondern nur die Ehrfurcht vor der kaiserlichen Nähe das hohe Gefolge zum Gebrauch der eigenen Füße zwang, die Kämmerer und Hofmeister, die Herren der inneren und äußeren Kammern des Serails und als letzten und höchsten
Weitere Kostenlose Bücher