Rubinrotes Herz, eisblaue See
ausgetretenen Pfad, der hinter unserem Haus entlang und zum Wald hinauf führte. Am Waldrand kletterten wir über die Cheeks, einen großen weißen Felsen, der in der Mitte durchgebrochen war. Dann knipste Bud seine Taschenlampe an, und wir marschierten hinter ihm her, ich als Erste, danach kam Dottie, Glen bildete die Nachhut.
Wir waren alle elf Jahre alt, allerdings wurde Bud im November zwölf. Wir waren mehr oder weniger zusammen aufgewachsen, da unsere Häuser sich dicht an dicht an die Granitfelsen von The Point schmiegten und unsere Familien seit Generationen hier draußen fischten. Wir kannten uns also ziemlich gut, aber im Sommer 1963 herrschte eine seltsame Rastlosigkeit und Befangenheit unter uns. Auf Dotties breiter Brust zeichneten sich kleine Hügel ab, Glens Badehose beulte sich vorne aus, und auf Buds Oberlippe sprossen ein paar braune Haare. Obwohl sich bei mir nichts Nennenswertes tat, fühlte ich mich genauso merkwürdig wie die anderen. Es gab Launen und Ausbrüche, jemand stapfte schon mal wütend davon, und die Blicke zuckten hin und her wie Elritzen, die nicht gefressen werden wollten.
So schlich unsere seltsame Viererbande hinter dem tanzenden Lichtstrahl einer Taschenlampe durch den Wald des Naturschutzgebietes. Wanderpfade schlängelten sich durch dichte Kiefern- und Fichtenhaine und führten zu zerklüfteten Klippen, gegen die Tag und Nacht die Brandung hämmerte. An Sommertagen wimmelte es hier von Familien, die an den einfachen Holztischen ein Picknick abhielten, auf dem kleinen Spielplatz spielten und Wanderungen unternahmen. Nachts war ich noch nie hier gewesen, und ich fand es unheimlich. Die Geister der Picknicker und Wanderer streiften die Härchen an meinen Armen. Spuren von Glück und Trauer und anderen, äußerst sonderbaren Gefühlen machten mich zappelig. »Ganz schön gruselig, was?«, flüsterte Dottie.
Unsere Schritte machten dumpfe Geräusche auf dem harten Boden. Glens Turnschuhe quietschten wie alte Scharniere, und mein einer Knöchel knackte laut. Als direkt vor Buds Füßen ein schwarzer Schatten entlanghuschte, blieb er abrupt stehen. Dottie lief mit so viel Schwung in mich hinein, dass ich ihn umwarf und auf ihn draufnel. Er schlug wie ein Wilder um sich, während ich versuchte, mich aufzurichten. Schließlich packte Glen mich und half mir hoch. Bud stand auf und klopfte sich die Erde von Hemd und Shorts. »Rück mir nicht so auf die Pelle, verdammt noch mal«, knurrte er mich an.
»Bleib du nicht so plötzlich stehen«, entgegnete ich. »Außerdem solltest du mehr essen. Ich dachte, ich wäre auf einem Skelett gelandet.«
Dottie schob mich zwischen sich und Glen. »Jetzt habt ihr beide einen Puffer.«
Wir setzten uns wieder in Bewegung, und kurz darauf fiel der Lichtstrahl von Buds Taschenlampe auf eine Abzweigung, die so von Büschen verdeckt war, dass man sie kaum bemerkte. Dieser Pfad führte zu den großen privaten Sommerhäusern. Wir waren ihn schon mal im Winter gegangen, als das Naturschutzgebiet verlassen und die Häuser verriegelt waren, aber noch nie im Sommer, und erst recht nicht nachts.
Wir wollten bloß ein paar Feuerwerksknaller in die Luft jagen. Uns in die Nähe einiger Häuser schleichen, die Böller anzünden, und dann nichts wie weg. Das Ganze war Glens Idee gewesen. Seinem Vater, Ray Clemmons, gehörte der Laden oben an der Straße, wo die Leute aus The Point und der Gegend drum herum, die Touristen und die Besitzer der Sommerhäuser einkauften. Manchmal hatte Ray auch Sachen in seinem Lager, die nicht ganz legal waren. Aber der hiesige Sheriff war Parker Clemmons, Rays Bruder und Glens Onkel, und so landeten jeden Sommer ein paar Kisten mit Feuerwerkskörpern und Knallern in Rays Hinterzimmer. Das meiste davon war nach dem 4. Juli verschwunden, bis auf ein paar Kartons, die Ray für das große Grillfest am Ende des Sommers aufhob.
Und in diesem Jahr hatte Glen sich einen Karton mit Knallern unter den Nagel gerissen.
»Wie war’s, wenn wir den Sommerhäusern einen nächtlichen Besuch abstatten«, hatte er gemeint, »und ihnen ein bisschen Feuer unterm Hintern machen?«
»Spinnst du?«, hatte Bud entgegnet. »Wenn wir erwischt werden, gibt’s eine Tracht Prügel. Warum sollen wir uns mit denen anlegen? Die sind die, und wir sind wir. Und das ist auch besser so.« Damit hatte er nicht unrecht, aber trotzdem marschierte er jetzt mit uns durch den Wald.
Der Pfad wand sich zwischen Bäumen hindurch, die so dicht standen, dass man selbst am
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