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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callahan Rogers
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verzerrte sich zu einer hässlichen Maske, sie trat auf die Erstbeste zu und fauchte: »Du!« Dann wandte sie sich zur Nächsten, und wieder: »Du!«, immer weiter im Kreis, bis sie uns alle verflucht hatte.
    »Hört auf, mich anzustarren«, schrie sie. »Hörtverdammtnochmalaufmichanzustarren, ihrverfluchtenmiststücke, ihrmiesenverdammtenarschlöcher. HÖRT AUF, MICH ANZUSTARREN!!!« Dann fing sie wieder mit ihrem Irrentanz an, und dann tauchte endlich Mr. Moody auf, der stellvertretende Schuldirektor.
    Er schob sich durch den Kreis, den wir gebildet hatten, und trat auf Virginia zu. Sie stand bebend vor ihm, breitbeinig, den Kopf zur Seite geneigt und mit einem verwirrten, verwundeten Ausdruck in den Augen, als versuchte sie, die letzten Reste ihres Verstandes zusammenzuklauben. »Virginia. Virginia Murphy. Beruhige dich«, sagte Mr. Moody mit fester Stimme. Da drängte sich ihre Schwester Polly durch die Menge. »Lasst mich durch!«, rief sie. »Oh Gott!« Sie lief zu Virginia, schloss sie in die Arme und schluchzte ihr ins Ohr. Dann führten sie Virginia davon. »Ab in eure Klassen«, rief uns Mr. Moody über die Schulter zu.
    Den ganzen Tag lang fragte ich mich, wie viele von uns wohl in ihrem tiefsten Innern das Gefühl hatten, nur eine Handbreit von dem entfernt zu sein, was Virginia zugestoßen war. Mir ging es jedenfalls so. Es war gut, dass Grand mich liebte, denn in dem Frühjahr, als ich vierzehn wurde, hätte mir jeder andere einen Zentnersack Zement ans Bein gebunden und mich im Meer versenkt.
    Ich war wütend auf Carlie, weil sie nicht nach Hause kam, weil sie nicht gefunden wurde, weil sie nicht für mich da war. Ich war wütend auf Parker Clemmons, der den Blick abwandte, wenn er mich sah. Ich war so unausstehlich, dass Stella sich nicht traute, zu Grand zu kommen, wenn ich im Haus war. Ich erkannte nicht, was ich Daddy zumutete. Vielleicht hatten ihn all die Jahre auf dem launischen Meer gelehrt, meine Stürme und Flauten auszuhalten.
    Ich verkroch mich in meinem Zimmer und heulte. Ich stellte mich im Bad vor den Spiegel und brüllte meinen Körper an. Ein paar blonde Härchen hatten sich zwischen meinen Beinen eingenistet, aber ich war immer noch platt und hatte große Füße, und meine Tage wollten und wollten nicht kommen.
    »Du willst deine Tage nicht mal, aber du hast sie schon«, sagte ich verdrossen zu Dottie, als wir an einem Frühlingstag, knapp zwei Wochen vor meinem Geburtstag, durch den Wald gingen.
    »Sei froh, dass du noch verschont bist. Macht echt keinen Spaß.«
    Dottie war jetzt fast so groß wie ich, aber viel breiter um die Hüften. Sie keuchte ein wenig, als wir bei den Klippen ankamen, und ließ sich auf Mr. Barringtons Bank fallen. »Madeline will, dass ich eine Diät mache«, sagte sie. »Ich will ihr ja nicht den Spaß verderben, aber ich glaube, ich bin einfach dick.«
    »Wenigstens siehst du nicht aus wie ein Zaunpfosten mit einem Büschel Stroh obendrauf.« Ich setzte mich neben sie, und wir schauten raus aufs Meer. »Weißt du noch, wie ihr mich hier gefunden habt?«
    »Mannomann, du warst fast hinüber«, sagte Dottie. »Du warst schon ganz blau vor Kälte.«
    »Mir war warm«, sagte ich. »Es fühlte sich gut an.«
    »Du konntest dich ja auch nicht sehen. Du sahst aus wie ein Geist.«
    »Danke, dass ihr damals gekommen seid«, sagte ich.
    »Wie wär’s mit ‘nem Stück von Grands Apfelkuchen?«, schlug Dottie vor, und so machten wir uns auf den Rückweg. Als wir bei Grand in den Flur kamen, standen da plötzlich vier große Kartons aufeinandergestapelt. Ich klappte den obersten auf und sah, dass er mit Carlies Kleidern gefüllt war.
    »Wie kommen die hierher?«, fragte ich.
    »Stella hat sie rübergebracht«, sagte Grand.
    »Warum hat sie das getan? Das geht sie nichts an.«
    »Florine, ob’s dir gefällt oder nicht, sie lebt jetzt seit fast drei Jahren da. Sie braucht den Platz. Sie hat mich gefragt, ob du ein paar Sachen deiner Mutter vielleicht hier aufbewahren willst. Sie hat gesagt, sie würde sie niemals wegwerfen. Wollt ihr ein Stück Kuchen?«
    »Ich scheiß auf den verdammten Kuchen«, sagte ich und rannte nach oben in mein Zimmer. Als Dottie ein paar Minuten später an die Tür klopfte, schickte ich sie nach Hause. Ich starrte an die Wand, die ich von oben bis unten mit Fotos und Zeichnungen von Carlie beklebt hatte, bis es dunkel wurde. Grand kam nicht, um nach mir zu sehen, und ich nahm an, dass sie und Stella das mit den Kleidern vorher besprochen

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