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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callahan Rogers
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stelle ich dir jetzt ein paar Fragen«, sagte Mrs. Moss. »Aber wirklich nur, wenn du nichts dagegen hast.«
    Ich zuckte die Achseln. »Von mir aus.«
    »Gut, dann fange ich jetzt an, Florine.« Mit ganz sanfter Stimme fragte sie: »Wenn du an das letzte Mal denkst, als du sie gesehen hast - woran erinnerst du dich?«
    »Sie drehte sich um und winkte, dann stieg sie in Pattys Auto, um nach Crow’s Nest Harbor zu fahren.«
    »Patty ist ihre beste Freundin?«, sagte Mrs. Moss mit einem Blick auf ihre Notizen. »Sie haben zusammen im Lobster Shack gearbeitet, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Daddy.
    »Was dachtest du zuerst, als Carlie nicht zurückkam?«, fragte Mrs. Moss weiter.
    »Alles Mögliche«, sagte ich. »Erst dachte ich, vielleicht hat sie einen Ausflug gemacht, weil sie doch immer so gern verreisen wollte. Dann dachte ich, sie ist weggelaufen. Dann stellte ich mir schlimmere Sachen vor.«
    Mrs. Moss nickte. »Und wie hat sich dein Leben verändert, seit sie nicht mehr hier ist?«
    Überrascht und peinlich berührt merkte ich plötzlich, dass mir Tränen übers Gesicht liefen. Daddy fischte ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und reichte es mir. Als unsere Blicke sich trafen, sah ich Angst in seinen Augen, und ich wusste, er dachte an Stella. Ich konnte ihn ausliefern. Ich könnte der Reporterin von der Schlampe erzählen, die hier reinmarschiert war und sich meinen Vater unter den Nagel gerissen hatte. Jetzt verstand ich, warum Stella drüben bei Grand war - die Reporterin sollte nicht merken, dass sie hier wohnte. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und putzte mir die Nase.
    »Wenn es zu sehr wehtut, musst du nicht antworten«, sagte Mrs. Moss. »Aber ich könnte mir vorstellen, die Leser wüssten gerne, wie es ist, jemanden zu verlieren und nicht zu wissen, was mit ihm passiert ist. Sie fühlen ganz sicher mit dir, Florine.«
    »Das ist es nicht«, sagte ich. »Ich finde nur, es geht sie nichts an.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Mrs. Moss.
    »Vielleicht lesen sie die Zeitung, und vielleicht tut es ihnen leid, aber dann machen sie einfach weiter wie bisher. Wir müssen damit leben. Was sich verändert hat?« Ich sah Daddy an. Er blickte auf seine Hände, die gefaltet auf dem Tisch lagen. Diese großen, vernarbten, salzgeschundenen, abgearbeiteten Hände. Die Knöchel waren weiß. »Alles hat sich verändert«, sagte ich.
     
    Der Artikel über Carlie erschien Anfang November. Ein Fotograf kam und machte ein Bild von Daddy allein im Hafen, und sie druckten auch das Foto von uns dreien ab. Zwei Wochen lang machte das Mitgefühl der Leute mich in der Schule zu einem Star, wenn auch gegen meinen Willen. Dottie meinte, ich solle ihnen nicht nur Schlechtes unterstellen - vielleicht mochten sie mich ja. Aber ich wollte nicht bemitleidet werden.
    Bei der Polizei meldeten sich alle möglichen Leute, die Carlie angeblich gesehen hatten, unter anderem sogar in San Francisco. Daddy bekam per Post einen Heiratsantrag, was Stella gründlich die Petersilie verhagelte. Doch dann kamen die Feiertage, die Leute kümmerten sich um ihren Truthahn, und ich war froh, als sich der Trubel legte.

22
     
    »Ich liebe Elvis«, sagte ich und merkte, wie mir der Kamm schwoll. »Elvis ist der King.«
    »Ich hab ja nicht gesagt, dass er schlecht ist«, entgegnete Susan. »Ich hab nur gesagt, die Beatles sind besser.«
    »Gin«, sagte ich, und Susan, Bud, Dottie, Glen und irgendein Mädchen, dessen Namen ich mir gar nicht erst gemerkt hatte, weil sie sowieso bald zum Club von Glens Verflossenen gehören würde, stöhnten und zählten ihre Punkte.
    Es war Silvester 1965. Wir saßen bei Bud in der Küche. Sam und Ida waren zu den Butts gegangen und hatten Bud erlaubt, uns alle einzuladen. Grand war bestimmt schon im Bett, obwohl es erst halb zehn war.
    »Nichts geht über Love Me Tender«, sagte ich. »Das ist der schönste Song überhaupt. Elvis hatte es nicht nötig, sich die Haare lang wachsen zu lassen. Er ist ein Naturtalent. Die Beatles sind Hochstapler.«
    »Yesterday ist der beste Song aller Zeiten«, sagte Susan. Ich wollte nicht zugeben, dass ich ihn nicht kannte, dass ich mich weigerte, mir die Beatles anzuhören. Es war mittlerweile schwer, Elvis überhaupt noch im Radio zu finden, aber ich suchte immer wieder die Sender ab. Zur Not hörte ich auch Roy Orbison oder Del Shannon oder Dion, alles Carlies Musik. Auf Buds Plattenspieler lief gerade The Wanderer, einer meiner Lieblingssongs. Ich fand es nett, dass er das

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