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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callahan Rogers
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das war er. Einer von der stillen Sorte, aber mit der Art, wie er sich bewegte, konnte er ‘ne Menge sagen. Alle anderen Frauen haben mich beneidet. Er hat mit jeder mal getanzt, aber er ist immer zu mir zurückgekommen.«
     
    »Erzähl mehr von ihm«, sagte ich. Sie sprach nur selten von Franklin.
    »Der Blumengarten neben dem Haus, den hat Franklin für mich angelegt, als wir frisch verheiratet waren. Er hat alles umgegraben, und dann haben wir die Blumen ausgesucht, die wir haben wollten. Er musste haufenweise Erde herbeischaffen. Daniel Morse kam ein paarmal vorbei und brachte uns eine Ladung Hühnermist. Wir haben Algen gesammelt und sie unter die Erde gemischt, und dann haben wir alles gepflanzt. Und im Sommer haben wir draußen im Garten getanzt, nachts, wenn der Vollmond schien. Er hat mich mitten in der Nacht geweckt und ist mit mir rausgegangen, um zu tanzen. Er nannte es unseren Tanzgarten.«
    Ich versuchte mir eine viel jüngere Grand in den Armen eines großen, dünnen Mannes vorzustellen, der es romantisch fand, in einem Vollmondgarten zu tanzen, aber irgendwie sah ich sie immer so, wie sie jetzt aussah, mit ihrem Alte-Frauen-Haar, das in feinen Strähnen um ihren Kopf stand. Trotzdem war es kein hässliches Bild. Mir gefiel die Vorstellung, mein ganzes Leben mit einem Mann zu verbringen und nachts von ihm geweckt zu werden, um in dem Garten, den er für mich angelegt hatte, eine Runde um die Pfingstrosen zu drehen.
    »Ich vermisse ihn so, Florine. Ich wäre so gerne mit ihm alt geworden«, sagte Grand leise wie der Schnee, der draußen fiel. Wir schaukelten eine Weile vor uns hin, dann fügte sie hinzu: »Na, immerhin habe ich ein paar gute Zeiten mit ihm verbracht.« Sie stand auf, wir wünschten uns ein frohes neues Jahr, und dann gingen wir beide ins Bett.
    Aber ich konnte nicht schlafen. Ich dachte an alte Leute, die sich liebten, an Sommergärten, an meine Mutter, die auf den Schuhen meines Vaters tanzte, an Susan, die sich auf dem Sofa an Bud schmiegte. Als es Mitternacht schlug, hörte ich ein gedämpftes »Frohes neues Jahr!« vom Haus der Butts. Dann fuhr ein Auto zum Haus der Warners, und Susan und Glens Mädchen riefen »Tschüs«. Glen ging unten an Grands Haus vorbei und summte dabei The Wanderer. Nachdem seine Schritte verklungen waren, stand ich auf und ging runter in die Küche. Ich schaute hinaus in die Nacht. In den anderen Häusern gingen nach und nach die Lichter aus.
    Als ich in mein Zimmer zurückging, fiel mir Susans Single wieder ein, und ich dachte, ich könnte sie mir genauso gut gleich anhören, damit ich ihr sagen konnte, wie grässlich ich das Lied fand, und meine Ruhe hatte. Ich legte die Scheibe auf meinen alten Plattenspieler mit der abgewetzten Nadel und stellte den Ton leise.
    »Yesterday«, begann der Song. Beim Beginn der zweiten Strophe war ich bereits vom Bett auf den Fußboden gerutscht und versank in einen Sumpf aus Traurigkeit. Als die Platte beim vierten Durchlauf an einer Stelle hängen blieb, ließ ich sie weiterlaufen.
     
    Why she had to go Sprung. Why she had to go Sprung.
     
    Why she had to go Sprung. Why she had to go Sprung.
     
    Why she had to go Sprung. Why she had to go Sprung.

23
     
    Im März wurde ein Mädchen auf dem Schulflur verrückt. Ich war es nicht. Es war eine von den Murphy-Schwestern. Virginia und Polly Murphy waren beide klein und stämmig, mit dicken Beinen und Gesichtern, die so kantig waren wie Granitklötze. Sie lebten auf der Seite von Long Reach, wo die Kapitäne nicht gebaut hatten, weil die Küste dort Marschland war, mit einer dünnen Felskruste. Die Kinder, die aus der Gegend kamen, huschten entweder wie ängstliche Ratten durch die Flure, oder sie latschten breitbeinig umher, wie Virginia und Polly, schwadronierten und warfen mit derben Schimpfwörtern um sich. Doch so unverwüstlich sie auch wirkte, Virginia war diejenige, die durchdrehte.
    Es passierte in der Pause, an der Ecke, wo der Hauptflur in einen Nebentrakt abzweigte. Virginia stellte sich zwischen uns, öffnete den Mund und ließ einen Schrei los, der wie ein Blitz einschlug. Dann noch einen. Wir standen wie vom Donner gerührt da, während sie anfing zu zucken und sich überall zu reiben, als wäre sie in ein Nest voll kleiner Spinnen gefallen. »Macht die da weg. Macht die da weg«, kreischte sie.
    Als die Glocke läutete, hörte Virginia mit dem Gezappel auf, aber sie starrte jede Einzelne von uns mit fast aus den Höhlen quellenden Augen an. Ihr Gesicht

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