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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callan Rogers
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hatten. Ich sagte zu den Bildern von meiner Mutter: »Ich wette, sie haben gesagt: >Tja, Florine kriegt sicher einen Wutanfall, aber sie beruhigt sich schon wieder. Irgendwann muss das ja mal passieren. Es wird schwer für sie, aber sie kommt darüber hinweg.< Aber das wird ich nicht. Ich wird nie darüber hinwegkommen.«
    Ich wollte mir selbst nicht eingestehen, dass ich es allmählich leid war, die Flagge der Hoffnung auf ihre Rückkehr hochzuhalten. Aber ich konnte die Flagge nicht sinken lassen. Ich war nicht bereit aufzugeben.
    Ich glaubte Stella nicht, dass sie nichts wegwerfen würde, im Gegenteil, ich sah sie förmlich vor mir, wie sie grinsend Carlies Sachen in den Müll warf oder sie sogar in kleine Fetzen riss, um sicherzugehen, dass sie wirklich weg waren. Als die Nacht hereinbrach, schmiedete ich einen Plan, um den Rest von Carlies Sachen zu retten.
    Der nächste Tag war ein Montag. Ich zog mich an, frühstückte und schnappte mir meine Bücher.
    »Warum willst du schon so früh los?«, fragte Grand, während sie mir das Lunchpaket gab.
    »Ich brauche ein bisschen frische Luft.«
    »Ich habe dir Apfelkuchen eingepackt.«
    »Tschüs«, sagte ich und machte mich auf den Weg zur Haltestelle. Doch sobald ich außer Sichtweite war, bog ich in den Wald ab. In diesem Abschnitt gab es keine Wege, nur spitze Zweige, störrische, stachelige Büsche, totes Laub und Brombeergestrüpp. Ich drückte die Bücher an mich und kämpfte mich mühsam vorwärts, wobei ich mit den Kleidern an den Dornen hängen blieb und mir die Arme zerkratzte. Als ich schließlich an der Rückseite von Daddys Haus ankam, hatte ich mir den Rock eingerissen und Laufmaschen in der Strumpfhose. Ich hockte mich hinter ein paar Kiefern und sah zu, wie Dottie und Bud zur Haltestelle gingen, die Köpfe zusammengesteckt, als ob sie sich über irgendwas Spannendes unterhielten. Wahrscheinlich über mich, dachte ich. Sie machen sich über mich lustig. Nachdem sie fort waren, setzte ich mich auf einen Felsen zwischen den Kiefern, öffnete mein Lunchpaket und nahm das Stück Apfelkuchen heraus. Ich biss in den knusprigen Boden und die süße Streuseldecke, genoss die saftige, würzige Apfelfüllung und wartete.

24
     
    Daddy war schon lange rausgefahren. Die kleinen Boote, die zurückblieben, während die größeren auf dem Meer unterwegs waren, tanzten auf den Wellen.
    Carlie liebte unser kleines Boot, das wir aus irgendeiner Laune heraus Ruthie genannt hatten. Wir waren oft mit ihr an der Küste entlanggerudert, auf der Suche nach geheimen Buchten und Höhlen, die die Gezeiten in den Fels geschlagen hatten. Wir waren wie zwei Hälften einer einzigen Person gerudert, ich am einen Ruder, Carlie am anderen, und hatten das Salz und die Sonne in uns aufgesogen. Eine unserer Lieblingsstellen hatten wir »Piratenbucht« getauft. Wir waren oft dorthin gerudert, hatten Ruthies Leine über eine Felsspitze geschlungen, waren ans Ufer geplatscht und die Klippen hinaufgeklettert. Oben hatte Carlie »Eins - zwei - drei!« gerufen, und dann waren wir zusammen ins kalte Wasser gesprungen, mit den Füßen zuerst, immer wieder, bis wir nicht mehr konnten.
    »Eins - zwei - drei«, flüsterte ich. »Eins - zwei - drei.« Ich wiederholte es immer wieder, bis Stella schließlich aus dem Haus kam, um zur Arbeit in Rays Laden zu gehen. Sie trug eine von Carlies Jeans. Das erkannte ich an einem kleinen weißen Farbfleck unter der rechten Hüfte. Damals war ich beim Streichen der Bojen versehentlich mit dem Pinsel an den Stoff gekommen, und der Fleck war nie rausgegangen.
    Außerdem war die Jeans an Stellas knochigen Hüften zu weit und an den Beinen zu kurz. »Zieh die sofort aus, du Miststück«, fauchte ich in meinem Versteck.
    Als sie die Straße hinunter verschwunden war, legte ich meine Bücher und mein Lunchpaket beiseite und schlich mich von hinten ans Haus heran. Ich hoffte, dass die Tür zu Daddys Werkstatt offen war, denn ich wollte nicht zur Vorderseite herumgehen, wo mich Madeline oder Ida oder sogar Grand sehen konnten. Ich drückte auf die Klinke, und die Tür gab nach. Ich blieb einen Moment stehen, um den Duft nach frischem Holz einzuatmen. Auch das war ein Teil von der Florine, die ich noch vor gar nicht so langer Zeit gewesen war. Eine neue Holztür trennte die Werkstatt jetzt vom Wohnzimmer ab. Als Carlie und ich mit Daddy hier gewohnt hatten, hatte dort nur eine schwere Plane gehangen, damit das Sägemehl nicht ins Wohnzimmer drang, aber das war Stella

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