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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callan Rogers
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warme, trockene Stirn. »Brauchst du irgendwas?«
    »Stella hat mir vorhin Tee raufgebracht«, sagte sie. »Ich bleib einfach still hier liegen, vielleicht verschwinden die Bazillen dann aus Langeweile.«
    Ich gab ihr noch einen Kuss, schloss die Tür und ging ins Bad, um mir den Ködergeruch abzuduschen. Als ich wieder rauskam, roch das ganze Haus nach Brathähnchen. Ich hörte, wie Daddy unten mit Stella sprach.
    »Toll«, murmelte ich vor mich hin. »Eine große, glückliche Scheißfamilie.« Ich schlüpfte in saubere Shorts und ein altes T-Shirt. Dann öffnete ich Grands Schlafzimmertür einen Spalt und lauschte. Als mir ein leises, gleichmäßiges Schnarchen verriet, dass sie noch lebte, zog ich die Tür wieder zu und ging nach unten. Doch mein Herz stemmte sich mit aller Kraft dagegen, während meine Füße die Treppe hinunter- und in die Küche stapften.
    Stella hatte den Tisch gedeckt, mit dem Hähnchen, Maiskolben und süßen Brötchen, die sie schnell gebacken hatte. Sie saß am Ende des Tisches und füllte Daddys Teller.
    »Das ist Grands Stuhl«, sagte ich zu Stella.
    »Meinst du, es macht ihr etwas aus, dass ich hier sitze, Leeman?«, fragte sie ihn.
    »Nein«, sagte Daddy. »Setz dich, Florine.«
    Ich zog meinen Stuhl heraus und setzte mich dicht neben ihn.
    »Wie geht es ihr?«, fragte er.
    »Sie schläft«, sagte ich. »Ihr geht’s bestimmt bald wieder gut.«
    »Ich hab ‘nen Riesenschreck gekriegt, als sie nicht auf der Veranda stand«, sagte Daddy.
    »Sie hat mir erzählt, dass sie in letzter Zeit oft müde ist«, sagte Stella. »Ich helfe ihr gerne, wenn sie es möchte.« Sie sprach mit Daddy, als wäre ich gar nicht im Raum. Als würde meine Hilfe nicht ausreichen.
    Ich sagte: »Glaubst du vielleicht, ich kann mich nicht um sie kümmern?«
    Daddy schlug mit seiner großen Faust auf den Tisch. »Können wir nicht ein einziges verdammtes Mal zusammen essen, ohne dass du patzig wirst, Florine? Reiß dich gefälligst zusammen, Himmelherrgott noch mal. Stella hat doch nur ihre Hilfe angeboten. Was ist daran denn so schlimm?«
    Ich brüllte: »Wir haben seit Jahren nicht mehr zu dritt gegessen und vorher auch nur zwei Mal, das ist also erst das dritte Mal, dass ich patzig bin. Außerdem ist das hier Grands und mein Haus, und ich kann tun und sagen, was ich will. Ihr wohnt hier nicht.«
    Daddy nahm seinen Teller, stapelte die Teller mit dem Hähnchen, den Maiskolben und den Brötchen obendrauf und sagte nur: »Komm.« Überrascht folgte Stella ihm. Im Flur trafen sie auf Grand, die gerade die Treppe herunterkam. Daddy sagte zu ihr: »Ma, ich komme später noch mal rüber. Geht’s dir wieder besser?«
    Grands Gesicht war grau wie alter Kitt, aber sie sagte: »Besser als euch dreien, wie’s aussieht.« Daddy riss polternd die Fliegengittertür auf und stapfte hinaus. Stella schloss sie leise hinter sich. »Setz dich«, sagte ich zu Grand. »Ich mache dir einen Tee.«
    »Was ist passiert?«, fragte sie und ließ sich auf ihren Stuhl sinken.
    »Nichts, worüber du dich aufregen müsstest. Willst du einen Toast?«
    »Ach, Florine«, seufzte sie. »Warum musst du nur immerzu kämpfen?«

30
     
    Die Lichtung im Wald, auf die ich an dem Tag gestoßen war, als ich in Daddys Haus gewütet hatte, wurde für mich zu einem Ort, wo ich mich Carlie nahe fühlte, und im Herbst 1968 ging ich oft dorthin. Ich liebte die Farben, die Rot- und Brauntöne, die einige Sträucher annahmen, die verblassenden Moose und Flechten, die vereinzelten Blätter in Gelb, Orange oder Pink, die sich von einer Eiche oder einem Ahorn in das Kiefernwäldchen verirrten. Krähen hockten in den Ästen und warnten einander krächzend vor Eulen und Habichten. Gänse, aufgescheucht durch die Furcht vor einem frühen Winter, zogen schreiend über den Himmel. Meine Trauer um Carlie hatte sich den Jahreszeiten angepasst, und ich sah sie vor meinem inneren Auge in die Farben und Stimmungen des Oktobers gehüllt, in Erwartung eines langen Winters.
    Ich erzählte niemandem von diesem Ort. Ich vergewisserte mich jedes Mal, dass mir niemand folgte, bevor ich auf den kleinen Seitenpfad beim Haus der Barringtons abbog. Wenn ich auf der Lichtung angekommen war, öffnete ich Daddys alten Rucksack, den ich auf Grands Kriechboden gefunden hatte, nahm eine kleine Decke heraus, die ich selbst gehäkelt hatte und die mich an Carlie erinnerte - frühlingsgrün wie ihre Augen, rot wie ihre Haare und weiß wie ihre Haut -, und breitete sie auf den drei flachen

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