Ruchlos
getan.
Ein Paartherapeut hätte an uns beiden seine helle Freude, dachte ich.
»Entschuldigung. Aber ich wusste doch nicht.«
»Schon okay.«
Ich würde direkt nach der Konferenz zu ihm fahren, dann müsste Marianne Gärtner auch aus dem OP zurück sein. Jetzt wollte ich noch die geplanten Telefonate erledigen.
Bei der Krankenversicherung gab man sich zugeknöpft, als ich nach Rechnungen fragte, obwohl ich mich als Großnichte Frau Gärtners vorstellte.
»Hören Sie, mir geht es nur darum, dass meine alte Tante nicht betrogen wird. Können Sie nicht schnell nachgucken? Marianne Gärtner, Institutsgasse 4.«
»Haben Sie die Versicherungsnummer?«
»Nein, leider nicht.«
»Gut, dann das Geburtsdatum.«
Verdammt, ich hatte schlecht geschlafen und war entsprechend unflexibel. »Oh je, da erwischen Sie mich auf dem falschen Fuß. Sie ist in diesem Jahr 81 geworden.« Das hatte sie mir in einem unserer Gespräche erzählt.
Die Angestellte murmelte etwas, ich hörte sie jedoch auf ihrer Tastatur herumtippen.
»Hören Sie? Was die Rechnungen angeht, die wir hier erhalten haben, gab es keine Beanstandungen. Ihre Tante hat allerdings unseren Sicher Plus-Tarif gewählt, bei dem sie diverse Sonderleistungen selbst bezahlen muss.«
»Und diese Rechnungen bekommen Sie dann gar nicht zu sehen?« Genau darum ging es mir.
»Nein, die werden komplett privat beglichen und tauchen bei uns nicht auf.«
Ich bedankte mich und legte auf. Dennoch hatte man bei der ›VitalMed‹, als Andy sich dort als Versicherungsangestellter ausgegeben hatte, verunsichert reagiert. Ich vermutete, dass man sich dort nicht so genau mit den Modalitäten auskannte, auf denen der Betrug – wenn es denn einen gab – basierte. Es war einen zweiten Versuch wert.
»VitalMed, Saphörster am Apparat«, erklang eine junge, männliche Stimme.
»SAG-Versicherung, Rudolf. Ich habe eine Frage wegen der Abrechnung einer Prothese von Ihnen, die einer Patientin im Hyazinthus-Krankenhaus in Dresden-Friedrichstadt eingesetzt wurde. Bin ich da bei Ihnen richtig?«
Der junge Mann druckste herum. »Einen Augenblick, bitte«, hörte ich, dann hielt er offenbar die Sprechmuschel zu. Dennoch drang etwas wie ›Nein, ich habe doch gesagt …‹ an meine Ohren. Danach meldete sich eine Frau.
»VitalMed, Wachowiak, kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Wachowiak? Es verschlug mir die Sprache. Elena Wachowiak! Die Frau, die lange arbeitslos gewesen war, arbeitete als Buchhalterin für das Unternehmen, dessen Betrügereien ihr Schwiegervater geahnt hatte. Wie in Trance drückte ich die Gabel herunter, wählte direkt danach Hantzsches Nummer.
»Was hat die Schwiegertochter ausgesagt? Was für ein Alibi hat sie?«
»Guten Morgen, Frau Bertram. Hat Ihnen die Verletzung nicht gereicht? Was haben Sie nun noch angestellt?«
»Nur ein bisschen telefoniert.«
Ich berichtete, was ich in Erfahrung gebracht hatte, hörte ihn währenddessen blättern. Nachdem ich zum Schluss gekommen war, gab der Kommissar einen leisen Pfiff von sich.
»Da könnten Sie tatsächlich auf etwas gestoßen sein. Die Frau hat ausgesagt, sie sei in der Stadt bummeln gewesen. Keine Belege, keine Zeugen.«
»Ja!« Ich rief es laut aus. Euphorisch fragte ich, ob ich bei der Festnahme und der Vernehmung dabei sein dürfte.
»Auf gar keinen Fall. Sie wissen, dass ich bei Herrn Ingram schon riskiere, dass ein findiger Anwalt die Ergebnisse anficht. Aber ich informiere Sie, sobald ich etwas habe.«
Damit beendete er das Gespräch. Ich saß da, starrte aus dem Fenster und wusste nicht, wohin mit meinem Adrenalin, griff wieder nach dem Telefonhörer, rief bei Dale an, landete auf seinem Anrufbeantworter.
»Ich hatte recht!«, hinterließ ich auf dem Band und sprang auf, lief an Martin vorbei aus der Redaktion, hechtete aufs Fahrrad und fuhr, so schnell ich konnte, in die Friedrichstadt.
Intensivstation. Marianne Gärtner war gerade eben aus dem OP gekommen. Sie hatten es nicht gewagt, ihr etwas anzutun! Erleichtert seufzte ich auf. Natürlich schlief sie noch tief und fest, ich durfte trotzdem kurz zu ihr und mich davon überzeugen, dass es ihr gut ging. Danach konnte ich nicht schnell genug die Schutzkleidung wieder loswerden, ich wartete nicht auf den Aufzug, sondern rannte die Treppen hoch in den dritten Stock, stürmte in Andys Zimmer.
»Es war die Schwiegertochter. Hantzsche verhaftet sie gerade.«
Ich schnappte nach Luft.
Andreas wusste ganz offensichtlich nicht, ob er noch beleidigt sein sollte
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