Rueckkehr ins Leben
mit Gewehren
rumgerannt sind und sich gegenseitig erschossen haben?«
»Ja …«
»Cool.«
Ich lächle müde.
»Das musst du uns irgendwann mal erzählen.«
»Ja, irgendwann mal.«
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Über den Krieg erzählte man sich allerhand Geschichten, die klangen, als fände er in einem anderen, weit entfernten Land statt. Erst als Flüchtlinge durch unsere Stadt zogen, begriffen wir allmählich, dass sich das alles in unserem eigenen Land abspielte. Familien, die Hunderte von Kilometern zurück-gelegt hatten, berichteten, wie ihre Angehörigen umgebracht und ihre Häuser niedergebrannt worden waren. Manche hatten Mitleid und boten ihnen eine Unterkunft an, aber die
meisten Flüchtlinge lehnten ab, denn sie sagten, der Krieg würde irgendwann auch unsere Stadt erreichen. Die Kinder
dieser Familien sahen uns nicht in die Augen und schreckten hoch, wenn Holz gehackt wurde oder wenn Steine aus den
Schleudern, mit denen wir anderen Kinder Vögel jagten, auf die Blechdächer knallten. Die Erwachsenen, die aus den
Kriegsgebieten gekommen waren, wirkten bei den Gesprä-
chen mit den Stadtältesten gedankenverloren. Abgesehen von ihrer Erschöpfung und Unterernährung war ganz offensichtlich, dass sie etwas gesehen hatten, das ihnen keine Ruhe mehr ließ, etwas, von dem sie wussten, dass wir es ihnen
nicht glauben würden, wenn sie es uns erzählten. Manchmal dachte ich, die Geschichten der Durchreisenden seien über-trieben. Das Einzige, was ich über Kriege wusste, hatte ich in Büchern gelesen oder in Filmen wie Rambo gesehen, und dann war natürlich der Krieg im Nachbarland Liberia, von
dem ich durch die Nachrichten auf BBC erfahren hatte. Was den Flüchtlingen aber ihr Lebensglück geraubt hatte, über-stieg die Vorstellungskraft eines Zehnjährigen.
Als ich das erste Mal mit dem Krieg in Berührung kam,
war ich zwölf Jahre alt. Das war im Januar 1993. Ich war mit 8
Junior, meinem großen Bruder, und unserem Freund Talloi,
beide ein Jahr älter als ich, unterwegs nach Mattru Jong, wo wir an einem Talentwettbewerb teilnehmen wollten. Mohamed, mein bester Freund, konnte nicht mitkommen, weil er
an jenem Tag mit seinem Vater die strohgedeckte Küche re-
novieren sollte. Als ich acht Jahre alt war, hatten wir zu viert eine Rap- und Dance-Gruppe gegründet. Rap hatten wir bei
einem unserer Ausflüge nach Mobimbi kennen gelernt, ei-
nem Viertel, in dem die Ausländer wohnten, die für dieselbe amerikanische Firma arbeiteten wie mein Vater. Wir gingen oft nach Mobimbi, um dort im Pool zu schwimmen und
fernzusehen auf dem riesigen Farbfernseher und die Weißen zu beobachten, die sich im Erholungsbereich der Gäste tummelten. Eines Abends wurde im Fernsehen ein Musikvideo
gezeigt, in dem eine Gruppe junger Schwarzer rasend schnell sprach. Wir vier waren völlig gebannt und versuchten zu verstehen, was sie sagten. Am Ende des Videos erschien am unteren Bildrand ein Schriftzug. Dort stand: »Sugarhill Gang,
›Rapper’s Delight‹.« Junior schrieb es schnell auf einen Zettel.
Danach gingen wir jedes zweite Wochenende dorthin und
beschäftigten uns näher mit dieser Art von Musik im Fernsehen. Wir wussten damals nicht, wie sie hieß, aber ich war beeindruckt, dass die Schwarzen richtig schnell englisch sprachen, und das obendrein noch im Takt.
Später, als Junior auf die weiterführende Schule ging,
freundete er sich mit ein paar Jungs an, die ihm mehr über ausländische Musik und das Tanzen beibrachten. In den Ferien kam er mit Kassetten an und zeigte mir und meinen
Freunden, wie man zu der Musik tanzte, die, wie wir erst
später erfuhren, HipHop genannt wurde. Ich liebte das Tanzen, und besonders viel Spaß machte es mir, die Texte auswendig zu lernen, weil sie poetisch waren und ich meinen
Wortschatz damit erweitern konnte. Eines Nachmittags kam
Vater nach Hause, als Junior, Mohamed, Talloi und ich die Strophen von »I Know You Got Soul« von Eric B. & Rakim lernten. Er stand in der Tür unserer aus Lehm, Stein und
Blech gebauten Hütte, lachte lauthals und fragte uns: »Versteht ihr überhaupt, was ihr da sagt?« Er ging weg, bevor Ju-9
nior antworten konnte. Er legte sich im Schatten der Mango-, Guaven- und Orangenbäume in die Hängematte und schaltete die BBC-Nachrichten im Radio ein.
»Hier, das ist gutes Englisch, so was solltet ihr euch besser anhören«, rief er über den Hof.
Während Vater Nachrichten hörte, zeigte uns Junior, wie
wir die Füße im Takt bewegen mussten. Wir setzten
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