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Rückkehr von den Sternen

Rückkehr von den Sternen

Titel: Rückkehr von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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oder Beine hatten, besaß einen durchaus menschlichen Ausdruck. Nach einiger Zeit verstand ich, daß das Lila einem Großmaul ähnlich war: eingebildet, stolz und feige zugleich – als es in eine Million tanzender Bläschen zerfiel, wechselte die Farbe zu Blau über. Blau war engelgleich, bescheiden, gesammelt, aber auf scheinheilige Art als zelebrierte es sich selbst. Ich weiß nicht, wie lange ich mir das angesehen habe. Nie zuvor sah ich etwas Ähnliches. Außer mir gab es keine Zuschauer, nur wurde der Verkehr der schwarzen Autos dichter. Ich wußte nicht einmal, ob sie besetzt oder leer waren, weil sie keine Fenster hatten. Von dem runden Platz führten sechs Straßen ab, einige nach oben, andere hinunter, ihre Perspektiven zogen sich mit einem feinen Mosaik farbiger Lichter meilenweit hin. Nirgends ein Infor. Ich war schon ziemlich müde, nicht nur körperlich – es kam mir vor, als könnte ich kaum noch mehr Eindrücke verkraften. Manchmal verlor ich mich für eine Weile beim Gehen, obwohl ich nicht döste; doch weiß ich weder wann noch wie ich in die breite Allee kam. An der Kreuzung verlangsamte ich den Schritt, hob den Kopf und sah den Widerschein der Stadt an den Wolken. Ich stutzte, denn es kam mir vor, als sei ich unter der Erde. Ich ging dann weiter in einem Meer beweglicher Lichter, Schaufenster, die nicht verglast waren, zwischen gestikulierenden, sich wie Kreisel drehenden, schwungvoll mit Turnübungen beschäftigten Mannequins, die sich blitzende Gegenstände reichten, irgend etwas aufbliesen – ich schaute nicht einmal hin. In der Ferne gingen ein paar Menschen, ich war aber nicht sicher, ob es nicht schon wieder Puppen waren, und wollte ihnen nicht nachlaufen. Die Häuser traten auseinander, und ich sah eine große Inschrift PARK TERMINAL und einen leuchtenden grünen Pfeil.
    Der laufende Gehsteig begann im Durchgang zwischen den Häusern und ging dann plötzlich in einen Silbertunnel über. Eine Art goldener Puls schlug in den Tunnelwänden, als ob unter ihrer Quecksilbermaske wirklich ein Edelmetall flösse, ich fühlte einen Hauch von Hitze, alles erlosch – ich stand in einem verglasten Pavillon. Er hatte die Gestalt einer Muschel, die faltige Decke strömte ein kaum wahrnehmbares Grün aus, es war das Licht ganz feiner Äderchen, wie die Luminiszenz eines einzigen, vergrößerten und zitternden Blattes. Türen gingen nach allen Seiten. Hinter ihnen – Dunkelheit und winzige, am Boden gleitende Buchstaben: PARK TERMINAL … PARK TERMINAL.
    Ich ging hinaus. Es war wirklich ein Park. Die Bäume rauschten mit einem langgezogenen Laut, unsichtbar in der Dunkelheit. Wind spürte ich nicht, er mußte wohl hoch oben wehen, und die gleichmäßige, würdevolle Stimme der Bäume umfing mich wie eine unsichtbare Kuppel. Zum ersten Mal fühlte ich mich allein, aber nicht so wie in der Menge, wo es mir wohltat. Im Park mußten dennoch viele Menschen sein, ich hörte Flüstern, manchmal leuchtete ein Gesicht wie ein Fleck auf, einmal streifte ich jemanden sogar. Die Baumkronen griffen ineinander, so daß man die Sterne nur über den Lichtungen sah. Ich besann mich, daß ich zu diesem Park nach oben gefahren war, ich hatte doch schon auf dem Platz mit den tanzenden Farben über mir einen – übrigens bewölkten – Himmel gesehen. Wie kam es also, daß ich nun, eine Etage höher, diesmal einen Sternenhimmel sah? Ich konnte es mir nicht erklären.
    Die Bäume lichteten sich, und ehe ich es noch sah, spürte ich den Geruch von Wasser, den Geruch von Sumpf, von Moor, von nassen Blättern – ich erstarrte.
    Das Dickicht umschloß den See mit einem dunklen Kranz. Ich hörte das Rascheln von Seegras und Schilf – und weit darüber, auf der anderen Seeseite, stand hochaufgerichtet – wie ein Riese – ein Massiv lichtglasiger Felsen, ein halb durchsichtiger Berg über den Ebenen der Nacht. Ein gespenstisches Licht strahlte von den senkrechten Klippen herüber, sehr blaß, bläulich, Bastionen auf Bastionen, zinnenartig erstarrter Kristall, Abgründe – und dieser leuchtende, unwahrscheinliche Koloß spiegelte sich mit langgezogenem, schwächerem Abglanz im schwarzen Wasser des Sees. Ich stand reglos und entzückt, der Wind trug ganz leise, zerfließende Musiktöne. Als ich aber schärfer hinsah, erblickte ich einzelne

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