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Rückkehr von den Sternen

Rückkehr von den Sternen

Titel: Rückkehr von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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setzte sofort meine ganze Schwäche frei, die ich so verzweifelt erst mit der vorgetäuschten Ruhe und dann mit der zähen Klettertour maskiert hatte. Blindlings tastete ich zum Boden, schämte mich meiner zitternden Finger nicht und nahm Schnee in den Mund, der auf der Zunge kalt taute, den Durst nicht löschte, nur meine Nüchternheit vergrößerte. So saß ich da, aß Schnee und traute der Sache immer noch nicht ganz, wartete noch auf die Bestätigung meiner Erkenntnis durch die ersten Sonnenstrahlen.
    Lange vor dem Sonnenaufgang flog von der Höhe, von den langsam schwindenden Sternen ein Vogel herunter, legte seine Flügel zusammen, wurde kleiner, setzte sich auf einen vorhängenden Felsbrocken und rückte nur langsam näher. Er hüpfte um mich herum und entfernte sich wieder, und als ich schon dachte, daß er mich nicht bemerkt hätte, kam er von der anderen Seite wieder um den Felsen, auf dem ich saß, herumgehüpft. Und so sahen wir uns eine Zeitlang an, bis ich halblaut sagte: »Ja, wo kommst du denn her?«
    Ich merkte, daß er vor mir keine Angst hatte, und fing wieder an, Schnee zu essen. Er senkte das Köpfchen, schaute mich mit den schwarzen Perlen seiner Augen an, plötzlich aber, als hätte er mich lange genug angesehen, breitete er seine Flügel aus und flog davon. Ich aber, an die rauhe Felswand gelehnt, geduckt, mit vom Schnee ganz kalten Händen, wartete auf das Morgengrauen, und diese ganze Nacht kehrte in abrupten unvollständigen Bildern wieder: Thurber, seine Worte, dieses Schweigen zwischen mir und Olaf, die Stadtansicht, der rote Nebel und die Öffnungen in diesem Nebel, von Lichtkegeln gebildet, heiße Luftströmungen, das Ein- und Ausatmen von Millionen, die hängenden Alleen und Plätze, die Kelchbauten mit flammenden Flügeln, die Farben, die auf verschiedenen Ebenen dominierten … meine Frage an den Vogel auf dem Bergpaß, auch wie gierig ich den Schnee verschlang – und alle diese Bilder waren sie selber und waren es zugleich auch wieder nicht, so wie es manchmal im Traum geschieht. Sie waren eine Erinnerung und eine Verfehlung der Dinge, die anzurühren ich mich nicht traute, weil ich die ganze Zeit hindurch versuchte, in mir selbst eine Zustimmung für etwas zu finden, dem ich nicht zustimmen konnte.
    Alles das hatte es vorher gegeben wie einen langen Traum. Jetzt war ich wach und nüchtern, wartete auf den Tag, in einer Luft, die silbergrau wurde vor den langsam hervortretenden strengen Felswänden, Kämmen und Steinhalden, die als eine schweigende Bestätigung der Realität meiner Rückkehr aus der Nacht auftauchten. Zum ersten Mal allein, aber nicht mehr fremd auf der Erde und ihren Gesetzen unterworfen, konnte ich nun ohne Widerspruch und Reue an jene denken, die sich aufgemacht hatten, das goldene Vlies der Sterne zu holen …
    Der Gipfelschnee entbrannte in Gold und Weiß, stand über dem von violetten Schatten erfüllten Tal, mächtig und alterslos. Und ich, ohne die tränengefüllten Augen zu schließen, in denen sich dieses Licht brach, stand langsam auf und begann über die Steinhalden hinabzusteigen, in Richtung Süden, wo mein Haus war.

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