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Ruf der Toten

Ruf der Toten

Titel: Ruf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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es mir nicht übel…« Sie überlegte, wie sie es ihm schonend beibrachte. »Ich kenne dich nicht, du bist…«
    »Ich bin dein Freund, ich wollte dich heiraten, wir kennen uns seit drei Jahren.« Er hob verzweifelt die Arme.
    Sie schüttelte den Kopf. »Du bist mir fremd. Du machst mir Angst.«
    »Ich mache dir Angst?« Entgeistert sah er sie an. »Wie kann ich dir Angst machen? Das möchte ich nicht. Ich möchte nur bei dir sein.«
    »Nein, Paul, das möchtest du nicht.«
    »Was will ich denn dann?«
    »Ich glaube fast, du möchtest gar nicht, dass ich mein Gedächtnis zurückgewinne.«
    »Aber Bea…«
    »Paul! Ich habe keine Ahnung, was zwischen uns war, bevor das alles geschehen ist. Aber mein Gefühl sagt mir, dass es falsch war. Und wahrscheinlich konnte dir nichts Besseres passieren, als dass ich meine Erinnerung verliere – deine Chance auf einen Neuanfang.«
    »Bea, was redest du da?«
    Sie trat die letzten Stufen hinab und durchquerte die Diele zur Küche. »Bitte, Paul, mach es mir nicht noch schwerer.«
    Er ließ seine Schultern hängen. »Wirst du zurückkommen?«
    Sie zögerte. Elonards Worte kamen ihr in den Sinn: Komm weiter. Ist immer besser. Weitergehen, nicht zurücksehen.
    Sie zuckte, ohne sich umzudrehen, mit den Achseln. »Ich weiß es nicht.« Und wenigstens das entsprach der Wahrheit.

Trujillo
     
     
     
    Der Fluss trug braunen Schlamm auf seinen Wellen und wirkte trotz der drückenden Hitze alles andere als einladend. Niemand nahm ein Erfrischungsbad; so sehr die Einwohner an das Wunder inmitten ihrer kleinen Gemeinde glaubten, so weit schien ihr Glaube dann doch nicht zu reichen, als dass sie freiwillig in die dreckige Brühe getaucht wären.
    Cato kletterte die steinige Böschung zum Ufer hinab und er hörte, wie hinter ihm Frettchen keuchend Schritt zu halten versuchte. Auf dem Weg zu jener Brücke, die der Straße einen Ausweg aus dem Ort eröffnete, sprachen sie kein Wort miteinander, doch Cato ahnte, dass Comistadore hoffte, nun endlich mehr über die Phänomene in seiner kleinen Kapelle und das weitere Vorgehen der Kirche zu erfahren. Doch die Abendstunde rückte näher und ließ kaum Platz für Hoffnung. Wenn es so etwas wie Hoffnung für Trujillo gegeben hatte, so ging sie gerade gemeinsam mit der Sonne unter.
    Cato erreichte das Wasser und ging in die Hocke. Der Schlamm verwehrte den Blick auf den Grund. Das Wasser gurgelte und murmelte, als wolle es von einer Gefahr künden; eine Warnung für den, der zuhörte und sie verstand. Comistadore verstand nicht.
    »Ein Spaziergang soll mir recht sein«, keuchte er, »aber mussten wir unbedingt zum Fluss hinabsteigen?«
    Erneut verspürte Cato so etwas wie Mitleid. Doch dann sah er Bilder des Priesters vor seinen Augen, die auch den kleinsten Rest von Sympathie in einer öligen Melange zerplatzen ließen. Es wurde Zeit, das Problem zu lösen.
    Als Comistadore endlich, nach Atem ringend, neben ihm stand, sah er zu ihm auf und fragte: »Was haben Sie den Menschen gesagt, wer ich bin?«
    Die Frage verwirrte den Priester. »Nun«, meinte er zögernd, »ich sagte ihnen, Sie seien aus Rom, vom Vatikan, und Sie kämen, um die Wunder zu bezeugen.«
    Cato hob die Hand. »Mein lieber Comistadore, ich wies Sie bereits heute morgen darauf hin, dass Sie das Wort Wunder nicht in den Mund nehmen dürfen.«
    »Es tut mir Leid.« Der Priester strich sich verlegen über seine feiste Wampe.
    »Tut es Ihnen hinterher auch Leid, wenn Sie sich über einen kleinen Jungen hergemacht haben?«
    Das Frettchen riss erschrocken den Kopf herum. »Wie bitte?«
    »Ich denke, Sie haben mich verstanden.«
    »Aber…«, stotterte Comistadore. »Das ist eine alte Geschichte. Sie ist längst…«
    »… vergessen?« Cato hob spöttisch die Augenbraue. »Wollten Sie das sagen?«
    Comistadore nickte wie in Zeitlupe. Die Sonne tauchte hinter den Horizont, und die Nacht folgte ihr mit eiligen Schritten.
    »Es scheint«, sagte Cato, »als hätten zumindest in Rom einige Herren die Vorfälle nicht vergessen.« Er holte Luft. »Und das aus gutem Grund, würde ich behaupten.«
    »Was soll das?« Die Augen des Priesters flackerten. »Ich dachte, Sie sind wegen der Erscheinungen gekommen.«
    »Dachten Sie das?«
    »Ich… verstehe nicht ganz.«
    »Es ist gar nicht nötig, dass sie verstehen.«
    Comistadore stampfte empört mit dem rechten Fuß auf. Sand stob empor. Erst jetzt bemerkte Cato, dass der Priester Sandalen trug. »Wollen Sie mir nicht endlich sagen, worauf Sie

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