Ruf der Wildnis
Donnerwetter, der versteht sein Geschäft!« schrie einer der Männer enthusiastisch.
Buck kam bald wieder zu sich, aber er hatte keine Kraft mehr. Er blieb liegen, wo er niedergefallen war, und belauerte den Mann mit dem roten Sweater, der nun einen Brief in der Hand hielt und ihn aufmerksam durchlas.
»Hört auf den Namen Buck«, murmelte er halblaut vor sich hin, faltete das Schreiben zusammen und ließ es in seiner Tasche verschwinden.
»Also Buck heißt du, alter Knabe«, fuhr er mit freundlicher Stimme fort, »wir haben unseren kleinen Auftritt gehabt, und das beste, was wir tun können, ist, es dabei zu belassen. Du kennst nun deinen Platz, und ich kenne meinen. Sei ein braver Hund, dann ist alles in Ordnung. Bist du ein böser Hund, dann räum’ ich dir das Wilde ’runter. Verstanden?«
Er tätschelte beim Sprechen furchtlos den Schädel, auf den er so mitleidlos eingehämmert hatte. Bucks Haare sträubten sich zwar bei der Berührung durch seinen Peiniger, er blieb aber still liegen und trank auch das Wasser, das ihm der Mann hinstellte, und verschlang gierig die Fleischstücke, die ihm die Hand reichte, die vordem so erbarmungslos zugeschlagen hatte.
Er war besiegt, das wußte er, aber sein Stolz war nicht gebrochen. Er hatte gelernt, daß er gegen einen Mann mit einem Stock nichts ausrichten konnte, und er sollte diese Lehre sein ganzes Leben nicht vergessen.
Die Tage vergingen, und immer mehr Hunde bevölkerten den kleinen, mit Mauern umgebenen Hof. Manche kamen wie er in Käfigen an, andere wurden an der Leine geführt, manche zahm und ergeben, manche rasend und heulend wie er, aber alle mußten sich der Herrschaft des Mannes im roten Sweater beugen. Jedesmal wenn Buck bei einem dieser brutalen Schauspiele zusah, wurde ihm die Lehre eingehämmert: Ein Mann mit einem Prügel ist ein Gesetzgeber, ein Herr, dem man gehorchen muß, dem man aber nicht zu schmeicheln braucht. Dieser Charakterschwäche machte sich Buck nie schuldig, obwohl es besiegte Hunde gab, die den Mann umwarben, mit dem Schwanz wedelten und seine Hand leckten. Aber Buck sah auch einen Hund, der sich nicht unterwerfen wollte und der schließlich im Kampf mit dem Mann um die Oberhand erschlagen wurde.
Dann und wann kamen auch Männer, Fremde, die erregt und in allen möglichen Sprachen auf den Mann im roten Sweater einredeten. Und jedesmal wenn Geld in seine Hand gedrückt wurde, nahmen die Fremden einen oder mehrere Hunde mit. Keiner von ihnen kehrte wieder zurück, und Buck hätte nur zu gerne wissen wollen, wohin man sie führte. Dennoch freute er sich jedesmal, wenn nicht er an die Reihe kam, denn er hatte Furcht vor einer Zukunft, die nichts Gutes verhieß.
Aber auch seine Zeit kam, und zwar in der Gestalt eines kleinen, dürren Mannes, dessen Englisch kaum verständlich war und der mit Ausdrücken herumwarf, die Buck gänzlich unbekannt waren.
»Gott verdamm mich!« schrie er, als er Buck zu Gesicht bekam, »das ist eine feine Riesenhund. Wieviel kostet er?«
»Dreihundert, und geschenkt ist er!« war die prompte Antwort des Roten. »Seid nicht schäbig, Perrault! Es geht nicht aus Eurer Tasche und ist obendrein ein lohnendes Geschäft.«
Perrault grinste. Die Hundepreise waren durch die ungewöhnliche Nachfrage in die Höhe geschnellt, und dreihundert waren keine übermäßige Summe für ein so schönes Tier. Bei diesem Handel war die kanadische Regierung kein Verlierer und ihre Kuriere würden um so schneller vorwärtskommen. Perrault verstand etwas von Hunden, und als er Buck anschaute, wußte er, daß er der Beste unter Tausenden war. »Einer unter Zehntausenden«, wiederholte er bei sich.
Wieder erhielt der Rote Geld in die Hand gedrückt, und Buck war gar nicht erstaunt, als Curly, eine gutmütige Neufundländerin, und er von dem kleinen, mageren Mann weggeführt wurden. Er sollte den Mann mit dem roten Sweater niemals wiedersehen, und als er vom Deck der »Narwhal« auf das entschwindende Seattle blickte, nahm er auch von dem sonnigen Süden für alle Zeiten Abschied.
Perrault schaffte die beiden Hunde ins Zwischendeck und übergab sie dort einem schwarzhaarigen Riesen, der François hieß. Perrault war dunkelhäutig, aber François, ein Halbblut, war noch dunkelhäutiger, beinahe schwarz. Es war eine neue Art von Menschen für Buck, und er sollte noch viele ihrer Art kennenlernen. Er empfand für sie keine besondere Zuneigung, aber er lernte sie schätzen. Er erkannte bald, daß Perrault und François richtige
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