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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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Zuerst saß ich auf einem Hocker und guckte zu. Hier und da half ich, bis ich irgendwann ziemlich geschickt Kartoffeln schälen konnte, Plätzchen backen und Teig kneten. Manchmal durfte ich sogar das Silber polieren, was ich für ein großes Vergnügen hielt; alles in allem schien mir das Leben eines Dienstmädchens bei weitem besser als das einer Lady.
    «Ich glaube, ich möchte Köchin werden, wenn ich groß bin», sagte ich Mrs   Greaves an einem Winternachmittag. Eshatte den ganzen Tag ununterbrochen geregnet, und durch das sanfte Prasseln des Ofens hindurch konnte ich das Wasser in den Rinnen gurgeln hören.
    «Ich verstehe, wie du auf diesen Gedanken kommst», entgegnete sie, «aber an den meisten Orten ist es nicht so wie hier. Da gibt’s so manche arme Magd, die in der Dunkelheit sitzt und fröstelt, wenn sie sich nicht die Seele aus dem Leib schuftet, weil ihre Herrin ihr nicht einmal einen Kerzenstummel gönnt oder ihr wenig Kohle gibt, ganz zu schweigen von Gaslampen, wie wir sie hier haben. Außerdem wirst du eine Lady, mit einem eigenen Haus, eigenen Hausangestellten, einem Ehemann und Kindern, um die du dich kümmern wirst. Dann wirst du keine Kartoffeln schälen, glaub mir.»
    «Ich werde nie Kinder haben», sagte ich, «denn es könnte eines sterben, und dann wäre ich wie Mama niemals wieder froh.»
    Mrs   Greaves sah mich traurig an. Ich hatte nie zuvor so direkt von dem Kummer meiner Mutter gesprochen.
    «In Irland, Miss, würden die Leute auf dem Land sagen, deine Mutter sei ‹fort›.»
    Ich sah sie erwartungsvoll an.
    «Nun – das ist so ihre Art, weißt du – sie sagen das immer, wenn jemand – so ist   … sie glauben, dass die Feen deine Mutter weggetragen und eine von ihnen an ihrer Stelle gelassen haben.»
    «Und bringen die Feen diese Leute je zurück?»
    «Ja, mein Kind   … Ich habe zwei Söhne verloren, weißt du, und ich dachte, es würde mir das Herz brechen. Ich vermisse sie immer noch, aber ich weiß, sie sind sicher da oben. Und ich hatte andere, an die ich denken musste   …», sie hielt inne.
    «
Woher
weißt du», fragte ich sie, «dass sie sicher im Himmel sind? Ich meine, dass es einen Himmel gibt? Weil die Bibel uns das sagt?»
    «Hm, Miss, ja, natürlich, und – weil
sie
mir das sagen.»
    «Aber
wie
können sie dir das sagen? Sprechen ihre Gespenster zu dir?»
    «Keine Gespenster, Miss, ihr Geist. Durch Mrs   Chivres – sie ist, was man ein geistiges Medium nennt – weißt du, was das bedeutet?»
    Ich wusste es nicht und so erzählte sie mir, anfangs etwas zögerlich, vom Spiritismus und dass sie einer Gesellschaft angehöre, die sich zweimal die Woche in einem Raum in der Southampton Row traf. Sie erzählte von all ihren Séancen und davon, wie die Geister der Verstorbenen uns vom Himmel her besuchen können. Manche nannten es «Sommerland», wenn man durch ein Medium mit denen sprach, die man liebte.
    «Dann muss ich Mama von Mrs   Chivers erzählen», sagte ich, «dann kann sie mit Almas Geist sprechen und wieder glücklich sein.»
    «Nein, Miss, das darfst du nicht. Unter keinen Umständen. Du darfst ihr nicht sagen, dass ich dir davon erzählt habe, sonst würde ich meine Stelle verlieren. Dein Pa hält nichts von den Spiritisten, wie ich gehört habe. Und Ladys gehen nicht zu Mrs   Chivers, nur Köchinnen und Dienstmägde wie ich und Violet.»
    «Ist es Ladys also verboten, Spiritistin zu sein?»
    «Das ist es nicht, Miss. Aber die, die daran glauben, haben ihre eigenen Kreise. Ich habe gehört, dass es für Ladys und Gentlemen eine Gesellschaft in der Lamb’s Conduit Street gibt. – Aber denk dran, ich war’s nicht, die dir davon erzählt hat.»
     
    Ich hatte vor, Mama am selben Abend davon zu berichten, aber dieser Impuls war dahin angesichts ihrer bleiernen Gleichgültigkeit, und außerdem hatte ich Angst, Mrs   Greaves in Schwierigkeiten zu bringen. Und so fragte ich Papa am nächsten Morgen unter dem Vorwand, in der Schule das Wort aufgeschnappt zu haben, was denn Spiritismus sei. Ich galt als alt genug, umim Esszimmer zu frühstücken, vorausgesetzt, ich redete nicht, wenn Papa die
Times
las. Mama leistete uns keine Gesellschaft mehr, seit Doktor Warburton ihr ein stärkeres Schlafmittel verschrieben hatte.
    «Primitiver Aberglaube in modernem Gewand», antwortete er und schlug seine Zeitung mit einem ablehnenden Rascheln auf, für meinen Vater ein recht einmaliger Ausdruck von Unmut, der Wut schon ziemlich nahe kam.
    Ich hatte bereits den

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