Ruhe Sanft
Er schaute auf Arleen hinunter. »Sie wollte mich am Flughafen mit dem Rest des Geldes treffen, sagte sie. Sie glaubte, sie könnte mich austricksen und ein späteres Flugzeug nehmen, nach Marokko.« Er sprach überlegt, logisch, als lege er einen Fall dar. »Mich trickst niemand aus.« Er kniete hin und griff nach der Pistole in Arleens Hand.
Mein Gott, dachte Wetzon. Er würde sie mit Arleens Pistole erschießen. Sie machte ein paar hastige Schritte zurück. Sie würden denken, Arleen habe sie getötet.
Ihre plötzliche Bewegung ließ Leon innehalten. Er riß seine Pistole in ihre Richtung herum. Es gab eine kleine, gedämpfte Explosion. Leon stand auf und starrte sie an. Irgendwie hatte er seine Brille verloren und hatte einen überraschten, fast komischen Ausdruck im Gesicht. Er richtete die Pistole auf sie. Wetzon ließ sich auf den Boden fallen. Die Pistole wackelte in seiner Hand.
Ein drittes Auge schien sich rubinrot zwischen seinen Brauen zu öffnen, und Leon taumelte über Arleens Leiche.
»FBI!« Die Tür flog hinter Wetzon auf. »Bleiben Sie, wo Sie sind!« rief eine Frauenstimme. Wetzon kauerte auf dem Boden, außerhalb der Schußlinie, und starrte auf die leere Stelle, wo Leon gestanden hatte. Schußlinie? Worauf sollten sie schießen? Mein Gott! »Nicht schießen!« schrie Wetzon. »Sie sind alle tot.« Alle sind tot.
Wie durch den Boden einer Colaflasche sah sie Judy Blue durch die offene Tür schlüpfen, den Rücken an den Türrahmen gepreßt, Mets-Kappe auf dem Kopf, Jeans, die Rundungen und Wülste von Bauch und Schenkeln zeigten, Marinewindjacke darüber. Beide Hände hielten ihre Pistole. Sie dachte: Na klar, Judy Blue, warum nicht, natürlich. Wetzon verspürte nicht die geringste Überraschung. Sie sank gegen die Wand.
Hinter Judy Blue waren zwei Männer. Einer langhaarig und schmuddelig, in grauen Trainingshosen und einem New-York-Rangers-Sweatshirt, ein Walkie-Talkie in der Hand. Der andere im Trenchcoat, schick und sauber, wie man sich einen FBI-Agenten vorstellt.
»Geben Sie mir Ihre Waffe.« Judy Blue winkte die zwei hinter ihr ins Zimmer und stand, die Pistole auf sie gerichtet, über Wetzon.
Wetzon reckte den Hals, und allmählich rückte Judy Blues rundes schwarzes Gesicht unter der Mets-Kappe scharf ins Bild. »Sind Sie verrückt?« Wetzons Stimme klang ihr rauh in den eigenen Ohren. »Ich habe keine Waffe.«
»Stehen Sie auf.« Judy Blue sah zu, wie Wetzon mühsam auf die Beine kam und dabei versuchte, nicht auf ihren Mantel zu treten.
»Sie sind beide tot«, sagte der Mann im Rangers-Sweatshirt. »Grossmans Pistole ist noch warm.« Er sprach in das Walkie-Talkie. »Schicken Sie eine Ambulanz.«
Judy Blue nickte. »Ziehen Sie den Mantel aus«, sagte sie zu Wetzon.
»So was Dummes«, murmelte Wetzon, doch sie zog den Mantel aus und legte ihn über die Sofalehne. »Ich versuchte, Arleen Grossman daran zu hindern, das Land zu verlassen, aber sie lag so auf dem Boden, als ich herkam. Ich dachte, sie wäre tot, aber sie lebte noch. Leon muß die ganze Zeit im Schlafzimmer gewesen sein.« Schweiß lief ihr unter dem Pullover an den Seiten hinunter. »Ach, verdammt, Judy Blue. Ich bin keine Mörderin. Soviel sollten Sie wissen.«
»Ich weiß überhaupt nichts. Sie haben uns in den letzten Wochen ganz schön herumgescheucht.« Judy Blue klemmte ihre Pistole irgendwo hinter ihrer dicken Taille unter der offenen Jacke fest. »Deckt sie zu.« Trenchcoat richtete seine Pistole auf Wetzon, während Judy Blue sie gekonnt filzte.
»Sehen Sie, ich habe es doch gesagt.«
»Ich halte es immer mit der Vorsicht.«
»Sonst keiner hier«, sagte Rangers-Sweatshirt, der aus dem Schlafzimmer kam. Er sprach wieder in sein Walkie-Talkie. »Alles klar hier — ihr könnt kommen.«
Sekunden später hörte Wetzon stampfende Schritte die Marmortreppe hoch und durch den Flur kommen. Noch drei Männer. Und Silvestri — mit grimmigem Gesicht, dunklen Rändern um die Augen, einem Aufblitzen — vor Freude konnte es nicht sein, dachte sie als er sie sah.
Judy Blue zuckte die Achseln. »Verdammt noch mal, Silvestri, ich dachte, das sollte unser Bier sein. Was ist los«, sagte sie gedehnt, »traut ihr uns nicht?« Ein Lächeln huschte flink über ihr grobknochiges Gesicht, und sie war weg. Sie ließ sie allein und verschwand zwischen den Antiquitäten und Agenten aus Wetzons Sicht.
Wetzon ließ sich an die Wand sinken. »Schrei mich nicht an, bitte.«
»Ich schreie nicht.« Silvestri legte einen Arm
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